Dutzende Mails, hunderte Kommentare auf Twitter, bis dato 350 Posts allein auf meiner Facebook-Seite: Ich weiß jetzt, was ein Shitstorm ist. Was war passiert?
Am Mittwoch kontaktierte mich ein Journalist des Kurier, der mich fragte warum ich im vergangenen Kulturausschuss einer Subvention von insgesamt 712.000 Euro für VÖM (das ist Planet Music im Gasometer) und Szene Wien, beide geleitet von Josef „Muff“ Sopper, zugestimmt hätte. Immerhin hätten doch die Grünen – neben anderen Bedenken – immer dagegen protestiert, dass dort immer wieder explizit sexistische, homophobe und rassistische Bands aufgetreten seien. Und für den 8.12., also gestern, sei erneut eine Band programmiert, die alle drei Kriterien in besonders ekelhafter Weise vereint: Die Hinichen, eine Gruppe, die explizit frauen- und lesbenfeindliche, Gewalt gegen Frauen verherrlichende und rassistische Inhalte verbreitet – etwa mit Texten wie „Wir mischen auf im Frauenhaus, wir peitschen die Emanzen aus, wir treiben die Lesben vor uns her (…) Die Fotzen ja die ghörn verdroschen“ (s.u.).
Der Journalist hatte recht: Als sich mit unserem Regierungseintritt vor zwei Jahren die Frage stellte, ob wir die Subvention für Planet Music und Szene mittragen würden, lud ich Muff Sopper zu einem gemeinsamen Treffen mit VertreterInnen des Koalitionspartners. Und wir erzielten bei diesem Treffen einen klaren Konsens: Szene Wien und Planet Music würden sich gegenüber anderen – vor allem weniger kommerziellen – Musikstilen und Milieus öffnen, hetzerischer Sexismus, Homophopie, Rassismus, Neofaschismus und andere Formen der Menschenverachtung wären eindeutiges No-Go.
Das ist Kulturpolitik: Subventionskritierien festlegen, Entscheidungen darüber treffen wie die – ohnehin knappe – öffentliche Kulturförderung verteilt wird. Und als kleinerer Koalitionspartner heißt das auch: Kompromisse eingehen, Bedingungen verhandeln und gemeinsam ausgehandelte Entscheidungen mittragen, auch wenn man alleine vielleicht andere getroffen hätte.
Was darf Kunst, was darf Politik?
Kunst ist frei, muss frei sein. Und was Kunst ist, ist jedenfalls nicht von PolitikerInnen festzulegen, sondern nur von den KünstlerInnen selbst. Und KünstlerIn ist man per Selbstdefinition: Wenn ich auf den Boden scheiße und sage „Das ist Kunst“, so ist das Kunst. Punkt. Wenn ich aber jemandem auf den Kopf scheiße, kann ich zwar auch sagen „Das ist Kunst“, ich darf aber nicht die „künstlerische Freiheit“ in Anspruch nehmen um dieses Verhalten zu legitimieren: Die Freiheit des Einzelnen endet bekanntlich dort wo sie die Freiheit anderer einschränkt. Was dies im Fall der „Hinichen“ bedeutet hat Elfriede Hammerl in diesem Artikel wunderbar beschrieben. Wenn man Frauen, die leider immer noch viel zu häufig Opfer von Gewaltverbrechen sind und deshalb in Frauenhäusern Schutz suchen, auf den Kopf scheißt, so ist es unsere Aufgabe als PolitikerInnen, ihnen zur Seite zu stehen.
Was Kulturpolitik nicht ist bzw. nicht sein darf: Inhaltlich in künstlerische Entscheidungen und die Programmgestaltung von geförderten Institutionen einzugreifen oder mit Subventionsentzug zu drohen weil etwas nicht dem persönlichen Geschmack oder eigenen (partei-)politischen Interessen entspricht. Was sie aber muss: Im Vorhinein kulturpolitische Positionen erarbeiten, Schwerpunkte setzen und auf die Einhaltung der Subventionsbedingungen (und der Gesetze) achten. Hier haben manche meine KritikerInnen – etwa Robert Misik – recht, gehen aber von falschen Voraussetzungen aus: Ich kann und will als Kulturpolitiker nicht in laufende Programme eingreifen, muss aber Hinweisen nachgehen, wenn diese die Subventionsbedingungen grob verletzen. Deshalb habe ich am Mittwoch nach einvernehmlicher Absprache mit dem Büro des Kulturstadtrates bei Muff Sopper angerufen und ihm gesagt dass das programmierte Konzert den gemeinsam getroffenen Vereinbarungen widerspreche, die ja die Voraussetzung für die Grüne Zustimmung zur Subvention waren. Nicht mehr und nicht weniger. Es geht also weder um Verbote noch um Zensur, sondern um die Verhinderung des Missbrauchs von Steuergeldern für hetzerische, menschenverachtende, Gewalt verherrlichende Inhalte.
Bereits im Mai 2008 wurde ein Konzert der „Hinichen“ im Planet Music nach massiven Protesten aus den selben Gründen abgesagt, bereits damals haben sowohl die Grünen Wien als auch Frauenstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) die Absage ausdrücklich begrüßt.
Liebe Freundinnen, liebe Freunde!
Als für Frauen und Antidiskriminierung zuständige Wiener Stadträtin freut es mich sehr, dass das Konzert der Musikgruppe „Die Hinichen“ im Planet Music am 23. Mai nun abgesagt wurde.
Von einer Gruppe, die – unter dem Deckmantel der Kunst – derart frauenfeindliche, Gewalt gegen Frauen verherrlichende, homophobe und rassistische Inhalte verbreitet, kann und muss ich mich aufs Schärfste distanzieren.
Die Texte entbehren jeglicher Beschreibung; traurig und verwunderlich, dass eine Gruppe, deren Schaffen auf derart sexistischen Texten basiert, überhaupt AnhängerInnen hat. Umso wichtiger ist es, auf allen gesellschaftlichen Ebenen und bei jeder Gelegenheit die Verherrlichung von Gewalt gegen Frauen zu stoppen!
In diesem Sinne danke ich allen, die mir in den letzten Tagen ihre Empörung über diese Musikgruppe übermittelt haben und bitte Sie, die Absage des Konzertes zum Anlass zu nehmen, die Menschen weiterhin für das Thema „Gewalt“ zu sensibilisieren.
Mit freundlichen Grüßen
Sandra Frauenberger
Ich schließe mich dieser Stellungnahme vollinhaltlich an. Und auch dem ausgezeichneten Blogbeitrag von Corinna Milborn, die hier fragt:
Man nehme etwa den Text „Wir mischen auf im Frauenhaus“, der nun so vehement unter dem Schlagwort „Freiheit der Kunst“ verteidigt wird, und ersetze „Fotzen“ durch „Neger“. Oder „Juden“. Würde man das Auftrittsrecht auf einer öffentlich finanzierten Bühne auch verteidigen, wenn statt „die Fotzen gehören verdroschen“ hier „die Juden gehören verdroschen“ gegrölt würde? Oder „Oft spielt der Neger deppert, er spielt emanzipiert, dann ist es meist das Beste, wenn man ihm eine schmiert“?
Die Grünen wurden gewählt um Haltungen und Werte zu vertreten, um Stellung zu beziehen. Egal ob in der Opposition oder Regierung, und unabhängig davon ob diese Positionen populär sind oder nicht. Wir stehen dazu. Es ist ein freies Land, man kann uns dafür lieben oder nicht, man kann uns wählen oder nicht. Wir stehen jedenfalls für ein weltoffenes Wien, für Respekt und Verantwortung. Wir laden euch ein, diesen Weg mit uns zu gehen.
Siehe auch:
The Gap: Hinich und dann?
FM4: Sind „Die Hinichen“ Kunst?
Wiener Zeitung: Nicht jeder Schocker ist ein Opfer
Abschließend der unkürzte Liedtext. Achtung: Nicht auf nüchternen Magen lesen!
Die Hinichen: Wir mischen auf im Frauenhaus
Lernst du a Maderl kennen,
du fickst es, des ist klass,
doch host es amoil gheirat,
dann denkst da: „so a Schas“,
und kriegt sie erst an Affn,
dann ist sie zum vergessen,
sie wird dann blad und a frigid,
und du bist fest angfressn.Und gibt´s amoi an Wickel,
in’s Frauenhaus sie türmt,
doch wir san a ned deppert,
die Hüttn, die wird gstürmt.Wir mischen auf im Frauenhaus,
yippie, yippie, yeah,
wir peitschen die Emanzen aus,
yippie, yippie, yeah,
wir treiben die Lesben vor uns her,
yippie, yippie, yeah,
das fällt uns Kerl´s gar net schwer,
yippie, yippie, yeah.Die Fotzen ja die ghörn verdroschen,
yippie, yippie, yeah,
zuerst auf’s Aug‘ und dann in´d Goschn,
yippie, yippie, yeah,
i sog‘: „ihr hobts es ja so wolln“,
yippie, yippie, yeah,
drum müss ma euch den Arsch versohln,
yippie, yippie, yeah.I und meine Hawara, haum dabei a murds trara!
Oft ist die Oide deppert,
sie spült emanzipiert,
dann ist es meist des Beste,
wann man ihr eine schmiert,
man muß den Weibern zeigen,
daß man der Herr im Haus,
sonst scheissns dir am Schädel,
und ekeln dich hinaus.Und kriegt sie ihre Floschn,
in’s Frauenhaus sie rennt,
i sag´ seids ja net deppert,
die Hüttn wird niederbrennt.Doch auch bei blöde Emanzen,
obsiegt manchmal das Hirn,
die san am Gschmack jetzt kumman,
die Muschis die tan glühn.
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