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Theaterreform: Gut, aber verbesserungswürdig

Vor neun Jahren beschloss der Gemeinderat einstimmig die Wiener Theaterreform. Das Ziel war eine Systematisierung der Förderung der Darstellenden Künste in Wien – genau genommen der kleinen und mittleren Bühnen ebenso wie der freien Gruppen – um damit Sichtbarkeit, Innovationscharakter, internationale Öffnung und Vernetzung zu stärken.

Anlässlich der Rot-Grünen Koalitionsverhandlungen wollten wir wissen, wie sehr das gelungen ist und wo es – auch angesichts mittlerweile stagnierender Budgets – Verbesserungsbedarf gibt. Unter Einbeziehung von VertreterInnen der Szene (vor allem der Plattform zeitgenössischer Theater- und Tanzhäuser PZTT und der IG Freie Theaterarbeit) hat das NPO-Institut der Wirtschaftsuniversität Wien die Theaterreform evaluiert und heute eine umfangreiche Studie dazu veröffentlicht.

Die Ergebnisse sollen nicht nur in künftige Förderentscheidungen einfließen, sondern vor allem in einem partizipativen Prozess gemeinsam mit allen betroffenen Kulturschaffenden diskutiert und letztendlich zu einer Reform der Reform führen: Theaterreform 2.0, sozusagen.

Ohne diesen anstehenden Entscheidungen vorgreifen zu wollen lassen sich aus der Studie bereits ein paar Tendenzen ablesen:

  • Das von den Grünen immer wieder kritisierte Missverhältnis zwischen großen Kulturtankern auf der einen und kleineren Bühnen sowie der Freien Szene auf der anderen Seite wird auch von der Studie bestätigt: Die Förderung pro BesucherIn stieg bei den Großbühnen kontinuierlich auf zuletzt 57 Euro an, bei den kleineren/mittleren Häusern und Gruppen lag sie im Schnitt bei konstant 25 Euro. Besonders teuer ist das Theater an der Wien, dessen Jahresförderung fast so hoch ist wie die Gesamtfördersumme aller kleinen Theater und Gruppen. Trotz unbestrittener Qualität und Umwegrentabilität (die bei den kleineren bloß nie erfasst, deshalb aber ja nicht unbedingt geringer ist) muss man sich fragen, ob hier eine Umschichtung nicht auch im Sinne von Innovation, Vielfalt, lokaler Vernetzung und Nachhaltigkeit notwendig wäre. Dass die Subvention der Vereinigten Bühnen auf Initiative der Grünen zuletzt um 750.000 Euro gekürzt wurde zeigt sich hier sicherlich als richtige Entscheidung. Im Gegenzug sollten wir darüber nachdenken, den Projektfördertopf (rd. 2,5 Millionen Euro) deutlich zu erhöhen, um der Freien Szene und auch dem künstlerischen Nachwuchs mehr Luft zu verschaffen.
  • Der Bund, also die kulturferne Koalition aus SPÖVP, hat sich aus der Förderung der innovativen Darstellenden Kunst sträflich zurückgezogen, wie die Studie beweist. Und es wird noch schlimmer: Allein zwischen 2010 und 2011 (also nach Ende des Studienbeobachtungszeitraums) sind mir in einer Schnellrecherche folgende weitere Kürzungen seitens des Bundes ins Auge gestochen:
    Theater der Jugend -600.000
    Wiener Kammeroper -300.000
    Theater in der Josefstadt  -228.304
    Odeon -40.000
    brut -7.000
    Allein das sind in Summe -1.175.304
  • In die selbe Kerbe schlägt die Tatsache, dass die Wiener Szene laut Studie zwar international mittlerweile extrem gut vernetzt und erfolgreich ist. Im Gegensatz dazu gibt es fast keine Kooperation zwischen Wien und den Bundesländern. Dazu kommen immer mehr Eigen- und Koproduktionen, die aber aber immer seltener aufgeführt werden. Das muss frustrierend für die KünstlerInnen sein, ist aber auch ökonomisch unsinnig – und schlichtweg idiotisch für den Kulturstandort. Warum touren die nicht durch Österreich? Wann wird die Kulturministerin hier endlich aktiv? Liebe Bundesregierung: Die Kommunen finanziell aushungern und uns gleichzeitig für eure Versäumnisse zahlen lassen, das geht gar nicht!
  • Zum Abschluss ein Gedankenexperiment: Wie wäre es, wenn wir das – laut Studie sehr erfolgreiche – Modell der Koproduktion zwischen kleineren Häusern und Freier Szene auch auf große Bühnen ausweiten? Wenn ich etwa daran denke, dass eine der erfolgreichsten Produktionen der letzten Jahre im Volkstheater eine Koproduktion mit einer freien Gruppe war: Warum institutionalisieren wir das nicht, indem wir beginnen, mehr Fördermittel hin zu den Freien zu verschieben? Wir könnten damit zwei Fliegen mit einer Klappe erwischen: Wenn sie auf die Kooperation mit freien Produktionen angewiesen sind brächte das automatisch auch einen Innvotionsschub und neue Publikumsschichten für die großen Häuser (zB. Josefstadt, Volkstheater, Ronacher, Raimundtheater oder Theater an der Wien). Andererseits würde das zeitgemäßen, gesellschaftsrelevanten oder etwa postmigrantischen Zugängen eine größere Bühne und damit mehr Sichtbarkeit (und mehr soziale Sicherheit für viele KünstlerInnen) bieten. Weil wir jetzt die Grundlage dafür schaffen müssen, dass Wien auch in Zukunft Theaterstadt von Weltbedeutung bleibt.

Nachlese:

Studie „Tanz und Theaterszene in Wien“

profil über die Evaluierung der Theaterreform

Interview „Grüne Töne in der Wiener Kulturpolitik“