Augustin TV berichtet über das unmenschliche Wiener Bettelverbot und bringt dabei Nurten Yilmaz (SPÖ) in Erklärungsnotstand. Der gesamte Beitrag ist heute um 21h auf Okto TV zu sehen.
Schlagwort: SPÖ
"Die Polizei ist die Mafia"
Nochmal zum Thema Bettelverbot: Ob der Wiener SPÖ bei der Abstimmung am Freitag bewusst war, wie sehr sie das Leben dieser Menschen verschlimmern? Und ob es ihnen einfach wurscht war?
SPÖ stellt noch klarer: Es geht nicht um Verstümmelte, es geht um unbequemes Sitzen!
Siegi Lindenmayr ist ein Mann der klaren Worte. Als Replik auf eine Stellungnahme der Wiener Bettellobby zum geplanten Bettelverbot der Wiener SPÖ hat er zunächst „das Herankarren von moldawischen Bettlern, die sich absichtlich verstümmeln und danach organisiert das erbettelte Geld abnehmen lassen“ behauptet und unter anderem mit dem notwendigen Vorgehen gegen die Opfer (!) die Gesetzesänderung begründet („Denn genau gegen diese Gruppe bzw. deren Hintermänner richtet sich die Änderung des Gesetzes.“)
Offenbar hat er diese Selbstverstümmlerbanden frei erfunden, um Stimmung gegen BettlerInnen zu machen. Auf meiner Facebookseite schreibt er nämlich nun:
Mein Kommentar war im medizinischen Sinn sicher unkorrekt, das tut mir leid. Und ich antworte Ihnen/dir gerne, um Missverständnisse zu vermeiden. Ich hatte u.a. z. B. jene Person vor Augen, die sich – bevor die Umbaumaßnahmen auf der Friedensbrücke begonnen hatten – in der Mitte der Brücke auf ein Bein gesetzt hatte um vorzutäuschen, es gäbe nur mehr das andere. Nach ein paar Stunden sitzen kann das vermutlich nachhaltige Beeinträchtigungen für das eine Bein nach sich ziehen. Das meinte ich und nicht, dass sich jemand die Beine abhackt. Oder jene Person, die mit Krücken unter dem Arm die Althanstraße recht flott entlang gegangen und ab dem Julius Tandler Platz mit den Krücken nur mehr gehumpelt ist. Ich möchte Ihnen/dir gegenüber hiermit meine Wortwahl präzisieren bzw. richtigstellen.
Ich bin in meinem Bezirk häufig zu Fuß unterwegs und kann zumindest diese Beispiele aus eigener Wahrnehmung festhalten. Wenn nötig, kann ich auch gerne den Inhalt aus Zwiegesprächen zwischen Bettlern und mir am Julius Tandler Platz (=Franz Josefsbahnhof) wiedergeben.Siegi Lindenmayr ist von Beruf Klubobmann der Wiener SPÖ.
SPÖ stellt klar: Es geht nicht um Verwahrloste, es geht um Verstümmelte
Siegi Lindenmayr, Klubchef der Wiener SPÖ, hat auf eine Stellungnahme der Wiener Bettellobby zum geplanten Bettelverbot geantwortet. Weil man das schöner nicht sagen kann, sei hier der ganze Text ungekürzt wiedergegeben:
Insbesondere durch Mandatare der Grünen wurden bewusst Teile des Initiativantrages miteinander vermengt, die sich einerseits mit Bettelei und andererseits mit dem Wegweiserecht befassen. Aus diesem Grund haben die GemeinderätInnen, die den Initiativantrag eingebracht hatten, die taxative Aufzählung der Gruppen inkl. dem Begriff “verwahrlost” streichen lassen. Interessant finde ich jedenfalls, dass so manche Personen offenbar das Herankarren von moldawischen Bettlern, die sich absichtlich verstümmeln und danach organisiert das erbettelte Geld abnehmen lassen, begrüßen. Denn genau gegen diese Gruppe bzw. deren Hintermänner richtet sich die Änderung des Gesetzes. Betteln für den “Eigenbedarf” wird weiterhin möglich sein.
Ferdinand Koller von der Bettellobby antwortet darauf:
1. Sind uns nach mehrjährigen Recherchen keine Fälle von Bettelbanden, die sich selbst verstümmeln und bettelnde Menschen ausbeuten etc. bekannt. Auch von Seiten der Polizei wurde uns gegenüber und in letzter Zeit im Radio immer wieder betont, dass diesbezüglich keine Ermittlungsergebnisse vorliegen. Woher haben Sie Ihre Informationen von moldawischen Banden? Da ich mich auch wissenschaftlich mit dem Thema auseinander setze, wäre ich sehr daran interessiert.
2. Falls es solche Banden tatsächlich gibt, dann treffen Sie mit dem Verbot des “gewerbsmäßigen Bettelns” gerade die Falschen, nämlich diejenigen, die zum Betteln gezwungen werden. Wenn Sie schon wissen, dass diese Menschen Opfer sind, warum wollen Sie sie dann bestrafen?
(…)Nun ist natürlich jeder auf die Lüftung des Geheimnisses um die Moldawische Selbstverstümmlermafia gespannt. Doch Lindenmayr spannt uns auf Facebook weiter auf die Folter:
Die Debatte darüber wird ohnehin im Landtag geführt und jede Person kann die Diskussion z. B. im Internet mitverfolgen. Die Fragen werden dort beantwortet werden.
Ganz Wien wird sich übernächsten Freitag also hinter den livestream klemmen um zu ergründen, wie die SPÖ die moldawischen Selbstverstümmler daran hindern wird, dass sie sich „organisiert das erbettelte Geld abnehmen lassen“.
Ein erster Erfolg ist es jedenfalls schon mal, dass die SPÖ aufgrund unseres Drucks den Begriff „verwahrlost“ aus dem Gesetzesentwurf streichen will (siehe pdf des neuen Antrags). Allerdings frage ich mich natürlich, ob ich nun beim Flashmob am 26.3. um 9h vor dem Rathaus verstümmelt statt verwahrlost dagegen betteln muss?
Bettelverbote und die Verwahrlosung der Wiener SPÖ
Als Erster hat der Grüne Landtagsabgeordnete Martin Margulies darauf hingewiesen: Die Wiener SPÖ möchte in der Landtagssitzung am 26. März einen Initiativantrag zur polizeilichen Verfolgung von BettlerInnen einbringen. In Zukunft sollen all jene des Ortes verwiesen werden, die „andere Personen beim widmungsgemäßen Gebrauch von öffentlichen Einrichtungen unzumutbar beeinträchtigen“.
Wer damit gemeint ist, kann in der Begründung nachgelesen werden: Obdachlose, DrogenkonsumentInnen, bettelnde Menschen, Menschen mit „verwahrlostem Auftreten“. Außerdem soll das „gewerbsmäßige Betteln“ verboten werden: Betteln soll „sofern die Absicht der wiederkehrenden Begehung zur Verschaffung einer fortlaufenden Einnahmequelle zu bejahen ist, strafbar sein.“ Was in der Praxis bedeutet, dass alle BettlerInnen, aber auch Personen, die der Polizei aufgrund ihres nonkonformistischen Aussehens nicht zu Gesicht stehen, mit dem Verweis von öffentlichen Plätzen oder Geldstrafe von bis zu 700 Euro bzw. Freiheitsstrafe von bis zu einer Woche rechnen müssen.
Das heißt: Statt Armut zu bekämpfen hat sich die Wiener SPÖ nun entschieden die Armen zu bekämpfen. Und erntet dafür tosenden Applaus der FPÖ. Durch die Begriffsbestimmung werde schließlich nahezu jede Form der Bettelei, die derzeit in Wien auftrete, unter Strafe gestellt, jubelt auch die ÖVP, obwohl die SPÖ behauptet, kein generelles Verbot des Bettelns einführen zu wollen. Der „Kurier“ startete gar eine Umfrage: „Fühlen Sie sich von Bettlern belästigt?“ – „Ja, Bettler gehören nicht in ein modernes Stadtbild“, antworteten knapp 70 Prozent von 72 LeserInnen, die bis heute mitgestimmt haben.
Die Straßenzeitung „Augustin“ erinnert an die Kategorisierung von „Verwahrlosten“ im Wien des Nationalsozialismus und erinnert die Häupl-SPÖ: „Vor hundert Jahren hätte die Sozialdemokratie gegen eine solche Armeleute-Bekämpfungs-Justiz einen Generalstreik diskutiert.“ Auch die Wiener Bettellobby verurteilt den Gesetzesentwurf scharf: „Die (…) Erweiterung der Wegweisung zeugt von einer in Wien – seit der nationalsozialistischen Verwaltung – noch nie da gewesenen Intoleranz gegenüber Menschen, die von Armut betroffen, suchtkrank bzw. nicht Mainstreamkonform sind.“
Als ich auf Facebook auf die ethische Verwahrlosung der Wiener SPÖ hinwies, konterte deren Klubobmann Siegi Lindenmayr nur patzig „dass sich Quereinsteiger besonders bemühen müssen, bei den etablierten Basis-Grünen Fuß zu fassen“. Auf inhaltliche Argumente ging er nicht ein. Zwei Kommentatoren warfen den Grünen – die als Einzige nächste Woche gegen den SP-Antrag stimmen werden – vor, „Leute, die organisierte Bettlerei (…) stört, nicht ernst zu nehmen“ bzw. „ins rechte Eck“ zu stellen. Das haben die Grünen zwar mit keinem Wort getan, sondern nur – zugespitzt, aber völlig zurecht – die Wiener SPÖ. Außerdem dürften noch immer viele Menschen ein paar Mythen über „organisiertes Betteln“ in Wien aufsitzen, die z.b. hier aufgeklärt werden.
Außer Streit steht, dass alle Formen von Menschenhandel und Ausbeutung unabhängig von der sozialen Herkunft der TäterInnen professioneller und vor allem strukturell nachhaltiger bekämpft werden müssen (wozu der vorliegende Gesetzesentwurf allerdings rein gar nichts beiträgt!). Warum muss man das bei Bettlern eigentlich dazusagen, nicht aber z.B. bei organisierten Bankern? Ich stelle hier auch die Frage, mit welchem Recht sich Mittelstandsangehörige, die sich in ihren Berufen erfolgreich organisieren, Menschen, die am unteren Rand der Gesellschaft überleben wollen, das Recht zur Organisation absprechen? Und warum auch sonst kritische Geister bei sozial Benachteiligten „organisiert“ offenbar gleich als „kriminell organisiert“ denken?
Oder noch konkreter, wie es Philipp Sonderegger ausdrückt: „Wessen Komplize bin ich?“ Und weiter: „Das perfide an diesem Vorhaben (der Wiener SPÖ, Anm.) ist, dass eine nachvollziehbarer Empfindung mißbraucht wird, um eine unbillige Maßnahme durchzusetzen. Man muß verwahrloste Menschen nicht unbedingt mögen, aber hier wird die Abneigung gegen Randgruppen instrumentalisiert, um die Privatisierung des öffentlichen Raums voran zu treiben.“
Dagegen wehren wir uns. Und zwar in Form eines Flashmobs am 26. März, dem Tag der Landtagssitzung, ab 9 Uhr vor dem Wiener Rathaus (Eingang Liechtenfelsgasse): Kommt so verwahrlost wie möglich, um gewerbsmäßig (allfällige Einnahmen kommen der „Bettellobby“ zugute) gegen dieses Gesetz und die ethische Verwahrlosung und den Rechtsruck der Wiener SozialdemokratInnen zu betteln!
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Meine Motivation, mich für die Wiener Grünen zu engagieren
Ich möchte hier gleich einmal ein bisschen auführlicher auf die Fragen eingehen, die ich auf ichkandidiere.at im Rahmen meiner Kandidatur für die Wiener Grünen beantwortet habe. Detailliertere Antworten zu einzelnen Punkten und vor allem zu euren Diskussionsbeiträgen werden in den nächsten Wochen folgen.
Was ist deine Motivation dich im Rahmen der Wiener Grünen politisch aktiv zu engagieren?
Als zivilgesellschaftlicher Aktivist, Autor und Vortragender über Globalisierungsthemen weiß ich, dass Demokratie, soziale Gerechtigkeit, ökologische Verantwortung und Respekt gemeinsam erstritten werden müssen, indem man die Bedürfnisse und Träume, aber auch Nöte und Konflikte der Menschen wahrnimmt und Alternativen bietet. Dafür kämpfe ich, dafür will ich Grüne Mehrheiten für Wien erkämpfen.
Der Wiener Wahlkampf 2010 wird, soviel ist zu befürchten, grauslich. Obwohl Strache nicht die allergeringste Chance auf den Bürgermeistersessel hat, wird es die FPÖ, aber auch SozialdemokratInnen und manche Medien auf ein Duell Häupl-Strache anlegen. Was bedeutet: Autoritarismus und Betonierertum gegen Hetze und Ressentiment. Die SPÖ im freien Fall hat sich bereits in der Bundesregierung und noch mehr nach den verlorenen Wahlen in Vorarlberg und Oberösterreich darauf festgelegt, in Sachen „Integration“ noch mehr Härte zu zeigen und die Leute gleichzeitig mit ein bisschen Sozialromantik (mehr ist da nämlich nicht) bei der Stange zu halten. In Wien heißt das: Wer sich an die Hausordnung hält, ist dabei. Und die macht immer noch der Hausmeister, also die SPÖ und ihre Freunderln. Die FPÖ wird indessen ein Blutbad anrichten. Zunächst rhetorisch, aber in der Haut eines Schwarzen, einer Kopftuchträgerin oder anderer Angehörigen einer Minderheit möchte ich nicht stecken, wenn der Mob im Mute rauscht.
Ich will, kann da nicht zuschauen. Ich habe in letzter Zeit, bei rund 300 Vorträgen und Gesprächen mit Jugendlichen und BürgerInnen aller sozialer Schichten und unterschiedlichster politischer Prägung, festgestellt, dass es sehr wohl möglich ist, Menschen von den eigenen Ideen zu überzeugen, wenn man sie ernst nimmt, ihnen ein paar Zusammenhänge klar macht und vor allem an die eigenen Utopien glaubt. Und dass die Unzufriedenheit mit globalen und lokalen Ungerechtigkeiten, mit verbauten oder nicht wahrgenommenen Lebensperspektiven und die mangelnde Wertschätzung der höchstpersönlichen Träume von sozialer und ökologischer Sicherheit, von Liebe und Anerkennung sehr wohl in aktives, solidarisches, respektvolles und gestalterisches Handeln kanalisierbar ist. Und dass wir den Populisten und Profiteuren nur dann das Wasser abgraben können, wenn wir bereit sind MIT den Menschen in ihrer Sprache zu sprechen, anstatt ÜBER sie.
Ich will nun nicht mehr nur gescheit reden, sondern Farbe bekennen und Partei ergreifen. Die Farbe ist grün, und die einzige Partei, die fähig und willens ist, die sozialen und ökologischen Herausforderungen anzunehmen, sind die Grünen. Und weil eine gerechte Globalisierung und die großen gesellschaftlichen Trends in den großen Städten entschieden wird, weil Vielfalt hier lebbar wird und werden muss, weil die Wahl 2010 eine Weichenstellung für unsere Zukunft bedeuten wird und weil ich hier in Wien gut leben will, habe ich mich entschieden, für die Wiener Grünen zu kandidieren.
Über Multis und Rechte
Die Oberösterreichischen Nachrichten bringen heute ein ganzseitiges Interview mit mir über das neue Buch und die Macht der Multis. Und Edith Meinhart von profil fragte mich, warum fast die Hälfte der österreichischen Jugendlichen eine der beiden rechtsextremen Parteien FPÖ bzw. BZÖ gewählt hat. Kurz gesagt: Weil SPÖ und Grüne sich zu wenig um die Alltagsprobleme und Konflikte junger Menschen scherten, sie offenbar nicht einmal verstanden. Statt die unübersehbaren Spannungen zwischen Jugendlichen unterschiedlicher Herkunft ernst zu nehmen, sie von ethnifizierenden Erklärungsmustern zu lösen, unabhängig vom Migrationshintergrund Respekt einzufordern, mit ihnen über Sexismus, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung zu streiten und soziale Alternativen anzubieten, posaunten rot und grün im Gleichklang:
Strache stritt. Und gewann.