Ja, ich will…in einer Stadt leben, in der keine Kinder in Schubhaft gesteckt werden!
Das wird das persönlichste Posting, das ich seit langem geschrieben habe…und vielleicht eines der für mich Wichtigsten. Es ist sechs Uhr früh, ich war den ganzen Tag und die halbe Nacht im Wahlkampf unterwegs und auch die letzten Tage und Nächte…und ich kann nicht schlafen.
Ich kann nicht schlafen, weil ich weiß, dass jetzt gerade, seit gestern um 6:50, zwei neunjährige Mädchen gemeinsam mit ihrem Vater wenige hundert Meter von hier an der Rossauer Lände in Schubhaft stecken, während ihre Mutter seit vorgestern wegen Selbstmordgefahr in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist. Ich weiß nicht, wie die Abschiebezelle aussieht, außer aus – mich schockierenden – Medienberichten. Ich kenne diese vier Menschen nicht, und ich weiß nicht, ob sie jetzt schlafen können.
Ich weiß nur, dass ich als Vater eines Kindes, mit dessen Mutter ich seit vier Jahren jedes Jahr eine demütigende Bittstellertour auf die für das Fremdenrecht zuständige Magistratsabteilung 35 der Stadt Wien unternehmen muss, auf der wir vor allem eines erfahren haben: Dass es in dieser Stadt nicht vorgesehen ist, sich als Österreicher in eine Ausländerin verliebt zu haben und mit ihr hier zusammenleben zu wollen; dass es selbst für gutwillige Menschen aus ärmeren Ländern schwierig ist, sich hier Willkommen zu fühlen; dass die – von der SPÖ damals noch ohne Not aus der Opposition gemeinsam mit Schwarz-Blau beschlossenen Fremdengesetze – hier in Wien nicht nur im Sinne von Unmenschen wie Innenministerin Fekter exekutiert werden, sondern manche BeamtInnen noch zusätzliche Schikanen erfinden und auch verheirateten Paaren die Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung und damit ein gemeinsames Leben und eine persönliche Perspektive in Wien so schwer wie möglich machen.
Ich weiß also, dass ich als Vater des Kindes einer Ausländerin in dem Moment, wo ich diese gesetzlichen Voraussetzungen – in unserem Fall: über 1100 Euro pro Monat Mindesteinkommen, Wohnung, Sozialversicherung uvam. – nicht mehr erfüllen könnte und deshalb die Mutter meines Kindes, meine Frau, am nächsten Tag von Schubhaft und Abschiebung bedroht wäre und meinem kleinen Sohn womöglich nur noch die Wahl bliebe, seine Mutter oder seinen Vater zu verlieren, ich weiß, dass ich dann erwarten würde, dass mindestens ein paar Dutzend Menschen in dieser wunderschönen Stadt nicht schlafen können.
In wenigen Stunden sollen Dorentina und Daniela Komani gemeinsam mit ihrem Vater in ein für solche Fälle gechartertes Flugzeug steigen, um nach Prishtina im Kosovo abgeschoben werden. Seit sechs Jahren – also seit ihrem dritten Lebensjahr – leben sie in Österreich, sprechen perfekt Deutsch, sind, wie man so sagt, perfekt integriert. Sie sind, wenn man so will, Österreicherinnen. Und sie sind, auf jeden Fall, Wienerinnen.
Im vergangenen Februar drohte in der kleinen vorarlbergerischen Gemeinde Röthis ebenfalls die Abschiebung einer Familie in den Kosovo. Doch sie scheiterte: Als die Fremdenpolizei im Morgengrauen vor der Tür stand, versammelten sich dort Dutzende Menschen – unter ihnen der Bürgermeister der Stadt, Norbert Mähr von der ÖVP, der Partei von Innenministerin Fekter. „Ich werde es nicht zulassen, dass diese Familie in dieser Form delogiert wird“, stellte er sich der Fremdenpolizei entgegen – und erreichte, Fekter hin, Fekter her, den Abbruch der unmenschlichen Amtshandlung.
In Wien, laut SPÖ der Stadt mit der höchsten Lebensqualität der Welt, hat weder Bürgermeister Michael Häupl noch irgendein anderer Vertreter der regierenden Partei bis zur Stunde auch nur irgendwas dazu geäußert, dass seit gestern früh zwei Wiener Kinder in Schubhaft anstatt morgen wie jeden Tag in der Schule sitzen. In Wien bleiben – zum Unterschied von anderen Weltstädten – rassistische Schmierereinen oft monatelang an Hauswänden stehen, weil sich der Bürgermeister weigert, etwas dagegen zu unternehmen. In Wien hat die SPÖ – anders als z.B. in Oberösterreich – einen Resolutionsantrag der Grünen für ein Bleiberecht von Arigona abgeschmettert (Bürgermeister Häupl dazu: „Gesetz ist Gesetz“ – als ob diese Gesetze nicht von der SPÖ mitbeschlossen worden wären). In Wien genehmigt die regierende SPÖ 150.000 Euro für Inserate der Stadt in rechstextremen Hetzblättern und macht damit Strache und seine Kellernazis stark. Aus einem durchsichtigen Grund: Weil die SPÖ weiß – und mir ihre Funktionäre in privaten Gesprächen auch bestätigen – dass viele Menschen am Sonntag aus Angst vor Strache SPÖ wählen werden. Weil diese Menschen nicht wahrhaben wollen, dass sie damit erst recht den rechten Hetzer stärken werden, dessen WählerInnen – womöglich zurecht! – die Schnauze voll haben ob der Machtarroganz und Freunderlwirtschaft der seit Jahrzehnten absolut regierenden SPÖ.
Es gibt eine einzige Möglichkeit, diesem Teufelskreis zu entkommen und ein sichtbares Zeichen gegen die machiavellistische Teile-und-Herrsche-Politik von SPÖ und FPÖ zu setzen. Es gibt eine einzige Möglichkeit, Wien wieder zu einer offenen, vielfältigen und lebenswerten Weltstadt zu machen. Es gibt eine einzige Möglichkeit, den historischen Grundwerten der Sozialdemokratie wieder zu ihrem Recht zu verhelfen: Eine Rot-Grüne Regierungsmehrheit nach dem kommenden Sonntag und damit das Gegenmodell zur Blau-Schwarzen Verluderung des Landes und auch der Sozialdemokratie seit nunmehr zehn Jahren. Dafür braucht es einen Verlust der absoluten Mehrheit der SPÖ und eine Stärkung der Grünen am kommenden Sonntag.
Vor genau einem Jahr habe ich mich nach einem brennenden und berührenden Plädoyer für bedingungslose Menschenrechte, das Maria Vassilakou nach dem Tod eines jugendlichen Schubhäftlings gehalten hat, entschieden, für die Grünen zu kandidieren. Heute weiß ich: Nur eine Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou würde alles unternehmen, dass Wiener Kinder weder in Schubhaft kommen noch abgeschoben werden. Dafür bleibe ich wach, dafür kämpfe ich, dafür bitte ich euch mitzukämpfen. Wir haben dafür noch drei – für manche von uns schlaflose – Tage. Nützen wir sie.
Nachtrag: Zum Abschluss möchte ich euch noch dieses berührende Statement von Statement von Hans Jörg Ulreich (Besitzer des Freunde-schützen-Hauses) nahelegen:
Ja, ich will…in einer Stadt leben, in der keine Kinder in Schubhaft gesteckt werden! Read More »