„Pfoah du stellst schwere Fragen“, meint die Wiener Grüne Spitzenkandidatin und zukünftige Vizebürgermeisterin Birgit Hebein im narrenfrei-Podcast. Dennoch ist schwer zu überhören, dass es sich hier nicht um ein kritisches Interview handelt, sondern um ein Gespräch, das glaube ich dazu beiträgt, eine Politikerin etwas näher kennenzulernen, mit der ich fünf Jahre lang ein Zimmer teilen durfte. Eine Politikerin, die ich zwar schon damals vor allem für ihre Glaubwürdigkeit und ihren bedingungslosen Einsatz für soziale Rechte geschätzt, aber möglicherweise unterschätzt habe, und die ich heute auch für ihre Klugheit, ihre Umsicht und Umsetzungsfähigkeit bewundere.
„Ich bin angetreten, um eine andere Geschichte zu erzählen“, sagt Birgit, „nämlich die Geschichte: Was kann man tun gegen die Klimakrise, welche sozialen Auswirkungen hat das und wie bedingt sich das gegenseitig. Ich bin überzeugt, all diese Diskussionen führen letztendlich immer zu einer Frage: der von oben und unten.“
Gleichzeitig warnt die bekennende Linke: „Ui, bitte ned erwarten dass ich jetzt alles anders mache.“ Etwa bei der Frage, ob sie dafür zu haben wäre, dass die Zivilgesellschaft – und nicht zwei regierende Parteien – die Stadt gestaltet: „Jetzt wär’s wahnsinnig verlockend einfach zu sagen: Ja! Aber neun Jahre Regierungsbeteiligung prägen schon auch.“
Und wie würde Wien in fünf Jahren aussehen, wenn Birgit Hebein als Bürgermeisterin allein regieren könnte? „Ich möchte dazu beitragen, dass die Menschen in Wien ohne Angst einschlafen und ohne Angst aufwachen können, und daran will ich gemessen werden. (…) Ich habe in der neuen Funktion enorm viel Verantwortung, und die werde ich wahrnehmen. Aber Leben zu verändern, zu verbessern, das geht nur gemeinsam.“
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ich habe mir überlegt, zu welchem Tagesordnungspunkt ich heute meine Abschiedsrede halten möchte. Natürlich hätte sich das nächste Aktenstück, die Subvention für das Menschenrechts-Filmfestival This Human World angeboten, weil es die Anliegen verbindet, die mir in meiner politischen Arbeit stets am Wichtigsten waren: Die Verbindung von Kultur und Menschenrechten.
Ich habe mich aber dann ganz bewusst für den Subventionsakt für die Sammlung Rotes Wien im Waschsalon im Karl Marx Hof entschieden, ein Akt, den die Grünen in Oppositionszeiten abgelehnt haben. Zu Unrecht, wie ich meine, und deshalb habe ich diese Subvention auch in den letzten Jahren immer mit Vehemenz und Überzeugung verteidigt.
Denn die Haltung, die hinter dem Gedenken an die Errungenschaften des Roten Wien der Zwischenkriegszeit und im Widerstand gegen den Austrofaschismus steht, ist genau das, was ich mir auch von der gegenwärtigen Politik dieser Stadt wünsche. Und von einer zukünftigen Rot-Grünen Koalition, auf die ich als Bürger dieser Stadt hoffe, auch wenn ich nicht mehr Teil davon sein werde. Denn die Notwendigkeit für die Haltung, die das Rote Wien vertreten hat, ist aktueller denn je: Heute wie damals geht es darum, sich mit einer offensiven und kreativen Politik der Solidarität und des Humanismus gegen Profitgier und nationalistische Hetze zu stellen. …
Viel wird medial über Rot-Grüne Streitigkeiten berichtet. Das ist aus journalistischer Perspektive verständlich, aus meiner Sicht gäbe es aber auch zahlreiche Beispiele einer wirklich hervorragenden Zusammenarbeit, die öffentliche Aufmerksamkeit verdienen, weil wir über Parteigrenzen hinweg Verbesserungen im Sinne der Wienerinnen und Wiener gemeinsam erarbeiten. Im Kulturbereich sind das etwa die jüngsten Bestellungen für Leitungsfunktionen wie im Wien Museum oder bei den Festwochen oder gemeinsame Projekte wie das Deserteursdenkmal oder SHIFT.
Ich möchte aber hier ein Beispiel aus einem anderen Ressort herausgreifen, an dem ich von Anfang an mitwirken durfte: Zu Beginn der Legislaturperiode habe ich versucht, SPÖ-Stadträtin Sandra Frauenberger das Thema Open Data und Open Government als wesentlichen Faktor für eine offene und transparente Kommunikation und Verwaltung nahezubringen. Nach nichtmal zehn Minuten fragte sie: „Warum haben wir das noch nicht?“, und innerhalb weniger Monate schafften wir es gemeinsam, unterschiedlichste Dienststellen der Stadt zu motivieren, mit dem Portal open.wien.gv.at sukzessive Datensätze und Wissensressourcen jenen zur Verfügung zu stellen, denen sie eigentlich gehören: den Bürgerinnen und Bürgern Wiens. Und es dauerte nicht lange, bis Wien europaweit Anerkennung als Vorreiterin für Open Data Government erfuhr.
Das Erfolgsgeheimnis: Rot-Grün hat von Anfang an die interessierte Community in einem vorbildlichen Partizipationsprozess in die Arbeit eingebunden, Bedürfnisse in der Bevölkerung erhoben und kritisches Feedback integriert. Auch heute habe ich mich wieder mit Stadträtin Frauenberger, IKT-Chefin Ulrike Huemer und den Gemeinderät_innen Barbara Novak und Jürgen Czernohorsky getroffen, um gemeinsam den Stand der Dinge zu reflektieren und neue Akzente zu setzen. Die Zusammenarbeit in diesem politischen Board funktioniert über Parteigrenzen hinweg schlichtweg großartig. Danke dafür – so muss Rot-Grün!
Das – vorläufige – Ergebnis sind mittlerweile 249 maschinenlesbar und unentgeltlich veröffentlichte Datensätze und 159 Anwendungen. Dazu zählen Geo-Daten und Stadtpläne, Verkehrsdaten, Umweltdaten, Budgetdaten oder statistische Daten. Personenbezogene Daten werden dabei keine veröffentlicht. Aus diesen Datensätzen entstanden unterschiedlichste Anwendungen zu Themenbereichen wie Fahrpläne, Kultur- und Bildungsveranstaltungen, Wien-Guides oder z.B. der Wiener Mietenrechner oder die Toilet Map Vienna.
Bereits im März soll eine weitere große Welle an Datensätzen folgen, darunter z.B. Geländemodelle und praktische Daten zu Wiener Schulen und Büchereien. Und noch im Frühjahr wird es eine große Wien-App geben, die unterschiedlichste Dienstleistungen der Stadtverwaltung in sich vereint und sich das stetig ausgebaute Wiener WLAN-Netz mit bald über 400 Hotspots zunutze macht. Außerdem verpasst sich Wien zurzeit eine Digitale Agenda, die die Stadtverwaltung unter Einbeziehung der Bürger_innen auch für die nächsten Jahre zukunftsfit machen soll. Wenn ihr Ideen oder Anliegen zu diesen Themen habt: Her damit!
I see trees of green, red roses too I see them bloom for me and you
And I think to myself: what a wonderful world!
(Louis Armstrong)
Der Wahlkampf ist vorbei. Es war mein erster Wahlkampf, und er war inhaltlich, emotional und körperlich so intensiv, dass ich noch lange brauchen werde, um alle Eindrücke, Erlebnisse und Erfahrungen zu ordnen. Deswegen spar ich mir vorläufig jede Analyse (auch wenn viel Kritik, Selbstkritik und Ideen für künftige Wahlkämpfe in meinem Kopf rumoren) und sag einfach: Danke!
Danke vor allem an jene, die mitgekämpft haben. Zuerst einmal an alle Grünen auf Bezirks- und Landebene, die vor allem in den letzten Wochen Sensationelles geleistet und uns von einer in vielerlei Hinsicht fatalen Ausgangssituation auf ein doch noch respektables – wenn auch natürlich für viele enttäuschendes und schmerzhaftes – Ergebnis gebracht haben. Danke im Speziellen an jene, deren unermüdlicher Einsatz nicht mit einem Mandat belohnt wurde! Und – unter vielen anderen – auch an meine MitstreiterInnen von der „Grünen Beisltour“, von denen nicht wenige nach einer um die Ohren geschlagenen Nacht am frühen Morgen schon wieder auf der Straße oder bei Schuldiskussionen bereitstanden. Dieser direkte Kontakt mit Wienern und Wienerinnen unterschiedlichster Milieus, Altersgruppen und Herkunft war nicht nur der sprichwörtliche Kampf um jede Stimme, er wird auch weit über diese Wahl hinaus wirken, weil wir wahrscheinlich so intensiv wie selten sonst erfahren haben, wie diese Stadt und ihre EinwohnerInnen ticken – und wo der Schuh drückt. Keine Meinungsumfrage, keine Medienanalyse kann das ersetzen.
Und ich danke an dieser Stelle auch jenen gefühlten 80 Prozent der Wiener und Wienerinnen, die das nicht nur ausgehalten, sondern sogar überaus freundlich reagiert oder zumindest zurückgelächelt haben, wenn wir sie auf öffentlichen Plätzen oder am schummrigen Wirtshaustisch aus dem Alltag oder einem zweisamen Gespräch gerissen haben, um Wahlwerbung zu machen. Ich muss ehrlich sagen: Ich war in solchen Situationen als „Opfer“ nicht immer so freundlich. Vielleicht lag’s aber auch daran, dass die Leute gespürt haben dass wir wirklich was wollen – nämlich das Ruder rumreißen und diese Stadt mitgestalten.
Ganz besonders danke ich natürlich unseren Wählern und Wählerinnen – also jenen Menschen, die sich von den kleinen und größeren Fehlern und Schwächen der Grünen nicht irritieren ließen, weil sie letztendlich für sich erkannt haben, dass Fehler und Schwächen nicht nur zutiefst menschlich sind, sondern dass man sich auf unsere Grundhaltungen, unsere Ideen und Konzepte, unseren guten Willen und vor allem auf unsere Professionalität, Erfahrung, Kompetenz und Durchsetzungsfähigkeit verlassen kann, wahrscheinlich mehr als bei jeder anderen unserer mehr oder weniger geschätzten MitbewerberInnen. Und ein persönliches und heftiges Dankeschön auch an jene, die mich persönlich unterstützt haben – an Freunde und Familie, an meine UnterstützerInnen und Feedback-GeberInnen auf Facebook und bei meiner Ja, ich will-Kampagne. Und zu guter Letzt danke ich auch jenen engagierten KollegInnen aus der sozialdemokratischen Hemisphäre, die ich – vom Bettelverbot bis zur Abschiebung der beiden Kinder vergangenen Woche – zuweilen recht massiv angegangen bin. Für jene, die parteiintern gegen Fekterisierung und Rechtsruck ankämpfen, war das bisweilen schwer packbar. Wer mich kennt weiß, dass meine Kritik zuallererst von Empathie für die Opfer getragen war. Und ja: Im Wahlkampf geht die gegenseitige Wertschätzung schon mal unter. Leider.
Umso mehr freue ich mich, jetzt in einer Situation zu sein, die ich mir schon im gesamten Wahlkampf gewünscht hätte: Gemeinsam mit allen guten Kräften in dieser Stadt, egal ob sie grün, rot, links, liberal oder einfach – angesichts des erschreckenden Ergebnisses für die rechten Hetzer – „normal“ sind, für die einzig realistische und lebenswerte Alternative zu Hass und Ignoranz kämpfen zu dürfen: Für eine Rot-Grüne Koalition in Wien. Und damit für die Wende der vor genau zehn Jahren exerzierten „Wende“ zur Schwarz-Blauen Verrottung der politischen Moral.
Die Chancen stehen nicht schlecht. Vom Bürgermeister abwärts sind bisherige KritikerInnen dieser Option nach meinem Dafürhalten glaubwürdig verhandlungsbereit. Innerhalb der Wiener Sozialdemokratie treten vor allem junge und kritische Geister offen dafür ein, aber auch die PragmatikerInnen erkennen zunehmend, dass der Rot-Schwarze Beton ihre eigenen Probleme nur zementieren und die Hetzer stärken würde. Seitens der Grünen gibt es einen von Basis bis Spitze nie dagewesenen Konsens darüber, dass wir vor allem eines beweisen müssen: Vom Image der Chaotentruppe wegzukommen und Handschlagqualität, Zuverlässigkeit und auch Kompromissfähigkeit zu beweisen, ohne – und da fährt die Eisenbahn drüber – in den Kernbereichen Grund- und Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, Bewältigung der Demokratie- und Bildungskrise und einer ökologisch vorbildlichen Stadtplanung korrumpierbar zu werden. Warum das für beide Seiten, für Wien und für Österreich die beste Option wäre – und warum man sich davor nicht fürchten muss, erklärt Robert Misik in seinem Brief an meine sozialdemokratischen Freunde.
Die Chancen stehen gut, da auf einen grünen Zweig und einen roten Stamm zu kommen und gemeinsam internationale Standards in Sachen Lebensqualität, respektvollem Zusammenleben und Innovationskraft zu setzen. Und: Wir haben, alle miteinander, keine andere Chance, wenn wir das Feld nicht den rechten Hetzern und den rückwärtsgewandten Betonieren und Profiteuren überlassen wollen. Ja, wir wollen: Ein gutes Klima in dieser Stadt schaffen – ökologisch, sozial, und vor allem im Umgang miteinander. Wer immer uns dabei unterstützen kann: Unterstützt uns dabei! Es geht um uns selber. Um uns alle.
Das wird das persönlichste Posting, das ich seit langem geschrieben habe…und vielleicht eines der für mich Wichtigsten. Es ist sechs Uhr früh, ich war den ganzen Tag und die halbe Nacht im Wahlkampf unterwegs und auch die letzten Tage und Nächte…und ich kann nicht schlafen.
Ich kann nicht schlafen, weil ich weiß, dass jetzt gerade, seit gestern um 6:50, zwei neunjährige Mädchen gemeinsam mit ihrem Vater wenige hundert Meter von hier an der Rossauer Lände in Schubhaft stecken, während ihre Mutter seit vorgestern wegen Selbstmordgefahr in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist. Ich weiß nicht, wie die Abschiebezelle aussieht, außer aus – mich schockierenden – Medienberichten. Ich kenne diese vier Menschen nicht, und ich weiß nicht, ob sie jetzt schlafen können.
Ich weiß nur, dass ich als Vater eines Kindes, mit dessen Mutter ich seit vier Jahren jedes Jahr eine demütigende Bittstellertour auf die für das Fremdenrecht zuständige Magistratsabteilung 35 der Stadt Wien unternehmen muss, auf der wir vor allem eines erfahren haben: Dass es in dieser Stadt nicht vorgesehen ist, sich als Österreicher in eine Ausländerin verliebt zu haben und mit ihr hier zusammenleben zu wollen; dass es selbst für gutwillige Menschen aus ärmeren Ländern schwierig ist, sich hier Willkommen zu fühlen; dass die – von der SPÖ damals noch ohne Not aus der Opposition gemeinsam mit Schwarz-Blau beschlossenen Fremdengesetze – hier in Wien nicht nur im Sinne von Unmenschen wie Innenministerin Fekter exekutiert werden, sondern manche BeamtInnen noch zusätzliche Schikanen erfinden und auch verheirateten Paaren die Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung und damit ein gemeinsames Leben und eine persönliche Perspektive in Wien so schwer wie möglich machen.
Ich weiß also, dass ich als Vater des Kindes einer Ausländerin in dem Moment, wo ich diese gesetzlichen Voraussetzungen – in unserem Fall: über 1100 Euro pro Monat Mindesteinkommen, Wohnung, Sozialversicherung uvam. – nicht mehr erfüllen könnte und deshalb die Mutter meines Kindes, meine Frau, am nächsten Tag von Schubhaft und Abschiebung bedroht wäre und meinem kleinen Sohn womöglich nur noch die Wahl bliebe, seine Mutter oder seinen Vater zu verlieren, ich weiß, dass ich dann erwarten würde, dass mindestens ein paar Dutzend Menschen in dieser wunderschönen Stadt nicht schlafen können.
In wenigen Stunden sollen Dorentina und Daniela Komani gemeinsam mit ihrem Vater in ein für solche Fälle gechartertes Flugzeug steigen, um nach Prishtina im Kosovo abgeschoben werden. Seit sechs Jahren – also seit ihrem dritten Lebensjahr – leben sie in Österreich, sprechen perfekt Deutsch, sind, wie man so sagt, perfekt integriert. Sie sind, wenn man so will, Österreicherinnen. Und sie sind, auf jeden Fall, Wienerinnen.
Im vergangenen Februar drohte in der kleinen vorarlbergerischen Gemeinde Röthis ebenfalls die Abschiebung einer Familie in den Kosovo. Doch sie scheiterte: Als die Fremdenpolizei im Morgengrauen vor der Tür stand, versammelten sich dort Dutzende Menschen – unter ihnen der Bürgermeister der Stadt, Norbert Mähr von der ÖVP, der Partei von Innenministerin Fekter. „Ich werde es nicht zulassen, dass diese Familie in dieser Form delogiert wird“, stellte er sich der Fremdenpolizei entgegen – und erreichte, Fekter hin, Fekter her, den Abbruch der unmenschlichen Amtshandlung.
In Wien, laut SPÖ der Stadt mit der höchsten Lebensqualität der Welt, hat weder Bürgermeister Michael Häupl noch irgendein anderer Vertreter der regierenden Partei bis zur Stunde auch nur irgendwas dazu geäußert, dass seit gestern früh zwei Wiener Kinder in Schubhaft anstatt morgen wie jeden Tag in der Schule sitzen. In Wien bleiben – zum Unterschied von anderen Weltstädten – rassistische Schmierereinen oft monatelang an Hauswänden stehen, weil sich der Bürgermeister weigert, etwas dagegen zu unternehmen. In Wien hat die SPÖ – anders als z.B. in Oberösterreich – einen Resolutionsantrag der Grünen für ein Bleiberecht von Arigona abgeschmettert (Bürgermeister Häupl dazu: „Gesetz ist Gesetz“ – als ob diese Gesetze nicht von der SPÖ mitbeschlossen worden wären). In Wien genehmigt die regierende SPÖ 150.000 Euro für Inserate der Stadt in rechstextremen Hetzblättern und macht damit Strache und seine Kellernazis stark. Aus einem durchsichtigen Grund: Weil die SPÖ weiß – und mir ihre Funktionäre in privaten Gesprächen auch bestätigen – dass viele Menschen am Sonntag aus Angst vor Strache SPÖ wählen werden. Weil diese Menschen nicht wahrhaben wollen, dass sie damit erst recht den rechten Hetzer stärken werden, dessen WählerInnen – womöglich zurecht! – die Schnauze voll haben ob der Machtarroganz und Freunderlwirtschaft der seit Jahrzehnten absolut regierenden SPÖ.
Es gibt eine einzige Möglichkeit, diesem Teufelskreis zu entkommen und ein sichtbares Zeichen gegen die machiavellistische Teile-und-Herrsche-Politik von SPÖ und FPÖ zu setzen. Es gibt eine einzige Möglichkeit, Wien wieder zu einer offenen, vielfältigen und lebenswerten Weltstadt zu machen. Es gibt eine einzige Möglichkeit, den historischen Grundwerten der Sozialdemokratie wieder zu ihrem Recht zu verhelfen: Eine Rot-Grüne Regierungsmehrheit nach dem kommenden Sonntag und damit das Gegenmodell zur Blau-Schwarzen Verluderung des Landes und auch der Sozialdemokratie seit nunmehr zehn Jahren. Dafür braucht es einen Verlust der absoluten Mehrheit der SPÖ und eine Stärkung der Grünen am kommenden Sonntag.
Vor genau einem Jahr habe ich mich nach einem brennenden und berührenden Plädoyer für bedingungslose Menschenrechte, das Maria Vassilakou nach dem Tod eines jugendlichen Schubhäftlings gehalten hat, entschieden, für die Grünen zu kandidieren. Heute weiß ich: Nur eine Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou würde alles unternehmen, dass Wiener Kinder weder in Schubhaft kommen noch abgeschoben werden. Dafür bleibe ich wach, dafür kämpfe ich, dafür bitte ich euch mitzukämpfen. Wir haben dafür noch drei – für manche von uns schlaflose – Tage. Nützen wir sie.
Nachtrag: Zum Abschluss möchte ich euch noch dieses berührende Statement von Statement von Hans Jörg Ulreich (Besitzer des Freunde-schützen-Hauses) nahelegen:
Ja, ich will ein ökologischeres, solidarischeres und weltoffeneres Wien. Deshalb kandidiere ich am 10. Oktober für die Wiener Gemeinderatswahlen. Mehr zu meinen Ideen dafür hier und natürlich hier im Blog.
Und ja, ich will auch eure Vorzugsstimme. Ich kandidiere am 10. Listenplatz – nach menschlichem Ermessen ein sicheres Mandat. Warum macht eine Vorzugsstimme für mich dennoch Sinn?
Weil Vorzugsstimmen auch das Gewicht von Themen, Inhalten und Haltungen stärken, für die ich stehe: Vor allem das Bekenntnis zu einer radikalen Demokratisierung und Öffnung aller Lebensbereiche dieser Stadt, aber auch der Wiener Grünen als Partei. Da geht’s um verbindliche Mitbestimmungsrechte in allen Bereichen der Stadtplanung, der Budgeterstellung und politischen Entscheidungsprozessen. Da geht’s um ein Informationsfreiheitsgesetz, um Open Data, Open Government und die Stärkung direktdemokratischer Elemente. Da geht’s um öffentliche Räume, Unterstützung und Informationsfluss für zivilgesellschaftliches Engagement. Um den Kampf für die Durchsetzung von Gemeinwohlinteressen anstelle eines rein profitorientierten, ausbeuterischen Wirtschaftssystems, wie ich ihn schon als Autor und Aktivist seit vielen Jahren führe. Um Geld für Bildung statt für Banken und den Kampf gegen rassistische Hetze, Sexismus, Homophobie, Repression und Überwachungsstaat. Und um ein faires, respektvolles Zusammenleben und den bedingungslosen Einsatz für Menschenrechte, ohne existierende Probleme und Konflikte schönzureden.
Wie gibt man eine Vorzugsstimme?
Auf die weißen Wahlzettel (für die Gemeinderatswahl) kann man insgesamt drei Vorzugsstimmen schreiben: Wer im 2., 7., 8., 9. oder 23. Bezirk wohnt, kann mich in seinem/ihrem Wahlkreis wählen (Listen anderer Bezirke hier). Und egal wo ihr wohnt könnt ihr meinen Namen jedenfalls in die rechte Spalte schreiben – falls sich wer die Arbeit antun will: vollständig heiße ich Klaus Werner-Lobo de Rezende, aber die Kurzform sollte reichen 😉
Und wer mich schon vor der Wahl unterstützen möchte oder nicht wahlberechtigt ist, kann es hier Konstantin Wecker, Leo Bassi, Franz Joseph u.a. gleichtun. Es wäre mir eine Freude!
Im Mai haben die Grünen Wien gemeinsam mit der Initiative Comics gegen Rechts das erste 24 Stunden Comics gegen Rechts veranstaltet: Zwei Dutzend vorwiegend junge Menschen haben 24 Stunden lang ihre eigenen künstlerischen Ausdrucksformen gegen rassistische Hetze, AusländerInnenfeindlichkeit und rechte Politik zu Papier gebracht. Die Ergebnisse sind hier zu bewundern.
Weil wir das Medium Comic nicht den Rechtsextremen überlassen wollen, haben wir daraufhin zum Wettbewerb Zeichnen gegen rechts aufgerufen und eine Auswahl der eingereichten Zeichnungen als Freecards gedruckt. Die Idee dahinter: Anstatt sich als Partei eine Kunstform anzueignen, wollen wir die eigenständige Intervention junger KünstlerInnen unterstützen.
Eine der eingereichten Karikaturen fand dieser Tage den Weg in die Zeitungen und sorgt dort für Aufregung. Michael Wittmann thematisiert darin seine Wahrnehmung der Asylpolitik von Maria Fekter: Die Innenministerin der katholisch verbrämten ÖVP holt sich beim Teufel Rat über weitere Verschärfungen der Asylgesetze, der wiederum verweist auf sein „bewährtes Konsulententeam“, den in der Hölle schmorenden Diktatoren Stalin, Hitler, Pinochet und Mussolini. Heftig? Ja. Überspitzt? Auch. Seriös? Natürlich nicht, ist ja ein Comic! Zulässig? JA!!! Weil Kunst heftig, überspitzt und unseriös sein soll und darf. Und es ist Aufgabe der Politik, diese künstlerische Freiheit nicht nur zuzulassen, sondern aktiv zu fördern (siehe auch mein Blogbeitrag zu einem ebenfalls heftigen Musikvideo über den FPÖ-Chef).
Wenn uns also der gestrige „Standard“ wegen des abgedruckten Bildes mangelnde Seriösität vorwirft, hat er offenbar den Unterschied zwischen Kunst und Politik nicht verstanden. Ist das Abschieben von Menschen in den Tod, Minderjährige in Schubhaft stecken, die Zerstörung von Familien und eine „rote Karte“ für AsylwerberInnen seriös? Ist es nicht Aufgabe kritischer KünstlerInnen, gerade hier auch auf geschichtliche Parallelen im Sinne eines „Wehret den Anfängen“ hinzuweisen?
Erstaunlich auch der Gleichklang der Qualitätszeitung mit dem Gratisblatt „Heute“ („Grüne Entgleisung im Wahlkampf„), die ebenfalls seit Wochen jeden Kleinscheiß zum generellen Grünen-Bashing nutzt. Dem ÖVP-Generalsekretär, der dort von „Verhöhnung der Opfer des NS-Terrors und der stalinistischen Diktatur“ spricht, antwortet der Künstler Michael Wittmann auf seiner Facebookseite: „Wieso es diese Opfer verhöhnen soll, wenn Hitler und Stalin in der Hölle gezeigt werden, bleibt erklärungsbedürftig. Tatsächlich verhöhnt Kaltenegger mit seiner Intervention die Opfer fekterscher Asylpolitik, von denen er offenkundig ablenken möchte.“
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Update 17h: Auch news.at berichtet. Und zwar anhand der Fakten – tut gut, mal wieder korrekt zitiert zu werden.
Sehr, sehr, sehr freue ich mich über diese Unterstützungserklärung des wunderbaren Sängers und Liedermachers Konstantin Wecker:
ja – ich will den lobo, weil ich will, dass wien, die stadt die ich so ins herz geschlossen habe, nicht von populisten übelster gesinnung, von fremdenfeindlichen und rassistischen parolen verseucht wird. dass europa sich auflehnt gegen die menschenverachtende und mörderische ideolgie des neoliberalismus. weil ich will dass wien nicht einfältig wird, sondern vielfältig bleibt, eine weltstadt der kunst, witzig und freizügig, todessehnsüchtig und voller himmlischer melodien, dass wien eine stadt wird mit einem großen herzen für aussenseiter und spinner, minderheiten und ausgegrenzte, seitlich umgeknickte und poeten aller sprachen und jeder hautfarbe.
ob das der lobo kann? natürlich nicht er allein, und eine partei allein schon gar nicht, aber ohne ihn wirds vielleicht noch schwerer, träume einer gerechteren welt weiterzuträumen und einiges davon in die tat umzusetzen.
ich mach keine werbung für eine partei und misch mich in wahlkämpfe nicht ein. die deutschen grünen unterstützen deutsche kriege und das will ich ihnen nicht verzeihen.
und die österreichischen grünen kenn ich nicht so gut, um ihnen als partei über den weg zu trauen.
aber parteien werden von menschen gemacht und soweit ich das überblicke ist der lobo ein mensch. einer der sich was traut, der sich auskennt und bereit ist für seine überzeugung zu kämpfen.
Ja, ich will ein ökologischeres, solidarischeres und weltoffeneres Wien. Deshalb kandidiere ich am 10. Oktober für die Wiener Gemeinderatswahlen. Mehr zu meinen Ideen dafür hier.
Was ich aber vor allem will: möglichst viele Menschen zu ermutigen und zu ermächtigen, selbst mitzueintscheiden und mitzugestalten. Viel wichtiger als das, was ich selbst in dieser Stadt politisch erreichen möchte ist also die Frage: Was wollt ihr? Was willst du?
Ich freue mich, hier Menschen vorstellen zu können, die mich dabei unterstützen wollen, diese Stadt gemeinsam besser zu machen. Willst du dein eigenes Video aufnehmen? Dann kontaktiere mich hier oder auf Facebook!
Vor einem Jahr veröffentlichte diese Zeitung die alarmierenden Ergebnisse der politischen Langzeitstudie „Die ÖsterreicherInnen – Wertewandel 1990-2008“: Nur jeder zweite Österreicher sei mit der Art, wie die Demokratie hierzulande funktioniert, zufrieden. Vier von zehn meinten, Demokratien seien „entscheidungsschwach“ und produzierten „zu viel Zank und Hader“. Ein Fünftel der Bevölkerung wünschte sich sogar „einen starken Führer, der sich nicht um ein Parlament und um Wahlen kümmern muss“. Nur 14 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher haben noch Vertrauen in politische Parteien. Studien-Ko-Autor Christian Friesl, dazu: „Es ist ihre Aufgabe, diesen Wert wieder zu heben.“
Ist es. Politik- und Demokratieverdrossenheit ist nicht die Schuld „dummer“ Staatsbürger, sondern einer politischen Elite und mancher Medien, die die Leute für dumm verkaufen. Aktuelle Beispiele aus Wien: Schein-Bürgerbeteiligung mit anschließendem Drüberfahren über Anrainerinteressen am Augartenspitz, die Volksbefragung mit suggestiven No-na-Fragen, die Weigerung, den Rechnungshofbericht über die Verschleuderung hunderter Steuermillionen beim Skylink-Debakel zu veröffentlichen, weitere hundert Millionen zur Selbstbeweihräucherung der Stadtregierung – all das trägt zu dem diffusen Gefühl bei: Die da oben machen sowieso, was sie wollen. Und treibt die Menschen antidemokratischen Kräften in die Arme.
Lautstärke justieren
Demokratie aber heißt: den Bürger als Souverän respektieren. Ihn mitreden lassen, in Entscheidungsprozesse einbinden, Bürgerinteressen als verbindlich betrachten, sich auf die Finger und in die Akten schauen lassen – also Macht abgeben. Es bedeutet auch: offene und öffentliche Diskurse führen und um Positionen und Haltungen streiten.
Ja, Demokratie heißt auch streiten. In einer Parteiendemokratie, bei der man als Wähler ohnehin nur alle paar Jahre das Recht hat, sich für ein Gesamtpaket – das „geringste Übel“ – zu entscheiden, muss Demokratie auch innerparteilich gelebt werden.
Bei den Grünen gilt von der Listenerstellung für Wahlen bis zur thematischen Schwerpunktsetzung deshalb das Prinzip der Basisdemokratie. Mitglieder und teilweise sogar Nichtmitglieder, die die Grünen unterstützen wollen, dürfen mitreden, mitbestimmen und mitstreiten. Gemeinsam streiten sie für eine bedingungslose Achtung von Grund- und Menschenrechten, für Umwelt- und Klimaschutz, für soziale Gerechtigkeit, für Weltoffenheit, Vielfalt und Vielsprachigkeit, für Mitbestimmung und ein gutes Leben – und sie streiten mit Verve gegen Hass, Hetze, Rassismus und Kleingeistigkeit. Manche, in Wirklichkeit erstaunlich wenige, streiten um Posten, Anerkennung und verletzte Eitelkeiten.
Die stehen dann in der Zeitung. Das ist nur zum Teil die Schuld einer voyeuristischen Mediengesellschaft, die allen Ernstes dem Klima in einem Bezirksparteilokal mehr Bedeutung gibt als politischen Vorschlägen gegen den globalen Klimawandel. Es ist aber auch unsere eigene Schuld, weil zu guter demokratischer Streitkultur ein hohes Maß an Wertschätzung und ein gedämpfteres Maß an Lautstärke gehört. Ich zum Beispiel streite sogar mit meiner Frau, aber sie verlangt zu Recht von mir, dass ich das zu Hause und nicht auf der Straße tue.
Wenn aber nun eine Zeitung von uns verlangt, „den Fetisch Basisdemokratie endlich zu entrümpeln“, weil „die mächtige Basis mit ihren oft erratischen Wahlentscheidungen politisches Handeln schwierig macht“ und Menschen, die ihre Freizeit in politische Mitgestaltung investieren gar zu „kleinen Stalins“ (Zitat Hans Rauscher) erklärt, dann reizt mich das schon wieder zum Streiten. Weil es mich an jene eingangs erwähnte Wertestudie erinnert, die nach starken Führern auf Kosten der, ja, erratischen und konfliktreichen Demokratie ruft.
Demokratie hat ihren Preis – auch den, dass man mit Konflikten zurande kommen muss und hin und wieder über die eigenen Ansprüche stolpert. Der Lohn auf breiter Basis getroffener Entscheidungen ist ihre Nachhaltigkeit und Verlässlichkeit: Während autoritär strukturierte Parteien ihre Grundsätze – egal ob sozialdemokratisch oder christlich-sozial – täglich über Bord werfen, wird man sich bei den Grünen auch dann auf ihre Nichtkorrumpierbarkeit verlassen können, wenn sie sich den Futtertrögen der Macht nähern: weil im Extremfall die vielgeschmähte Basis einschreiten würde.
Demokratie braucht aber auch die permanente Erneuerung ihrer selbst. Natürlich müssen die Grünen der Parteispitze Durchsetzungsfähigkeit, Schlagfertigkeit und im Falle einer Regierungsbeteiligung auch Kompromissbereitschaft zugestehen, gleichzeitig aber auch die Basis verbreitern, neue Milieus erschließen und möglichst viele Menschen aktiv zur Mitgestaltung ermutigen – auch bei der Listenerstellung. Viel mehr aber sollten wir über die Erneuerung unseres gesamten demokratischen Systems und um die Stärkung partizipativer und plebiszitärer Elemente reden: In Hamburg konnte man kurzzeitig Kandidaten auch unterschiedlicher Parteien direkt wählen. In Salzburg kann die Bevölkerung relativ leicht Volksbegehren und Volksabstimmungen erzwingen. In Porto Alegre, Sevilla sowie in Kölner und Berliner Bezirken bestimmen überhaupt die Bürger selbst, wofür ihre Steuern verwendet werden.
Es geht um Transparenz, demokratische Bildung und verbindliche Bürgerbeteiligung, und zwar für alle. Denn wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf. Die Grünen streiten vielleicht, aber sie schlafen nicht.
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