Schlagwort: Brasilien

  • CHEgado

    Dem grenzbeamten sind zu viele stempel in meinem pass. was ich hier mache, und das gleich so oft? ich denke an abschiebung. eine halbe stunde sprachtraining.

    Die ganze welt macht die scheunentore dicht, nicht mal unsereins wollen sie noch als einwanderer. Im april gabs noch webcamscans und fingerabdruecke von us-buergerinnen, als retourkutsche fuer homeland security. Die sind jetzt weg.

    wohnung mieten geht mit touristenvisum eigentlich auch nicht. die vermieterin einer super 2raumwohnung mit aussicht um 90 euro/monat wuerde zwar auf papiere verzichten. dafuer besteht sie darauf, dass ausser einer einzigen von ihr persoenlich zu begutachtenden partnerin kein weiblicher besuch empfangen wird. rio ist auch in sachen sexualmoral vielfaeltig.

    wozu eine wohnung? auch eine eigene telefonnummer schafft geborgenheit: +55 (21) 82032872, MESZ-5

  • Lula continues to play a beautiful game for Brazil

    In letzter Zeit häufen sich die optimistischen Töne über Brasiliens wirtschaftliche Entwicklung. „Brazilian president Luiz Ignacio Lula da Silva’s popularity is safe as long as the economy and employment continue to grow“, schreibt heute der Guardian.

  • Brasilien will Sklaverei beenden

    Obwohl die Sklaverei offiziell seit 1888 abgeschafft ist, gibt es in Brasilien noch immer geschätzte 25.000 bis 50.000 Sklaven und Sklavinnen, größtenteils in der Landwirtschaft. Die Regierung hat in den ersten 19 Amtsmonaten 6,465 Menschen befreit; bis 2006 will Lula die Sklaverei auch de facto beenden.

    Dafür sollen nun die Strafen angehoben werden. Sie liegen derzeit bei 88 Euro pro entdecktem Sklaven. Zum Vergleich: Die Strafe fürs Fangen einer seltenen Papageienart beträgt umgerechnet 1,400 Euro. Nun will der Kongress auch die Enteignung der Großgrundbesitzer erleichtern.

    Ein aktuelles Dossier über Sklaverei in Brasilien gibt es hier.

    Die gute Nachricht: Brasilien hat meinen Geburtstag zum Nationalfeiertag erklärt. Schon 1822.

  • Bio in Rio

    Nächste Woche beginnt in Rio die Messe BioFach América Latina. Ich geh dann übernächste Woche hin und ess alles auf.

    Brasilien ist mit rund 200 Millionen Dollar Marktvolumen und jährlichen Wachstumsraten von 30 Prozent der größte Produzent ökologischer Lebensmittel Lateinamerikas (v.a. Soja, Zucker und Kaffee). Dabei liegt der Anteil an der Gesamtproduktion in der Landwirtschaft erst bei 0,2 Prozent.

    Der Ökolandbau ist in Verbindung mit einer Landreform (also der gerechten Aufteilung der Agrarflächen) der Knackpunkt in der Armutsbekämpfung. Ein Prozent der LandeigentümerInnen besitzt die Hälfte der Agrarflächen. Rund 50 der 180 Millionen BrasilianerInnen sind von Hunger bedroht, obwohl der Riesenstaat ungefähr die doppelte Bevölkerungszahl ernähren könnte (siehe auch Artikel in der Welt am Sonntag).

  • Brasilien erlässt Mosambiks Schulden

    Das selbst hoch verschuldete Brasilien erlässt dem südostafrikanischen Land 95 Prozent seiner Auslandsschulden von 331 Millionen US-Dollar, berichtet Xinhuanet. Präsident Lula möchte damit ein Beispiel für reichere Länder setzen, weil ohnehin „jeder weiß, dass diese Schulden unbezahlbar sind.“

    Trotz Wachstumsraten von über zehn Prozent per anno wird das Land niemals seine Auslandsschulden in der Höhe von 4,8 Milliarden Dollar tilgen können. Damit kann es in Abhängigkeit von den internationalen Finanzinstitutionen gehalten werden.

    Mosambik zählt zu den fünf ärmsten Ländern der Welt. 70 Prozent der Menschen leben unter der Armutsgrenze, die Lebenserwartung liegt bei 43 Jahren, jedes siebte Kind stirbt vor dem fünften Lebensjahr (siehe Der große Graben).

    Im letzten Quartal wuchs auch die Brasilianische Wirtschaft um 5,7 Prozent, die Erwerbslosigkeit ging im Juli von offiziell 11,7 auf 11,2 Prozent zurück, berichtet das brasilianische Statistikamt heute.

  • Megaphon: "Momente"

    Dona Tereza ist 67 Jahre alt. Ihr Großvater wurde als Sklave eines Großgrundbesitzers geboren. 1888 wurde in Brasilien die Sklaverei abgeschafft. Danach arbeitete Terezas Großvater für den selben Herrn – für einen Hungerlohn. So wie ihr Vater. Und so wie Dona Tereza selbst – nur dass irgendwann der Hungerlohn nicht mehr zum Hungern reichte. Seit Jahren lebt Dona Tereza in einem Zelt aus schwarzen Plastikplanen. (mehr …)

  • Megaphon: "Dudu, Lulu und die Polizei"

    Die Via Ápia ist die einzige befahrbare Straße hier. Von ihr führen schattige Gässchen und steile Stiegen ins Innere eines organischen Gewebes aus Beton und Ziegelsteinen. Ein Haus wächst aus dem anderen, und alle wachsen sie den Berg hinauf, legen sich wie Flechten an den Felsen. Das ist keine Stadt, das ist ein Lebewesen, und es ist die größte Favela Lateinamerikas: Rocinha. (mehr …)

  • Megaphon: "$ex"

    Danke für die Aufmerksamkeit. Es ist ein bisschen billig, aber es funktioniert. Immer. Und jetzt könnte ich einfach über was anderes schreiben, aber ich bin gerade in Rio de Janeiro. Und so wie die Klischees über Österreich (Lipizzaner , Mozart, Nazis) stimmen auch die über die Karnevalsmetropole: Samba, Sex, Gewalt. (mehr …)

  • Welt am Sonntag: „Eine Kerze für den Teufel, eine für die Muttergottes"

    Sie kamen im Morgengrauen des 30. Dezember. Über den Feldern lag noch Nebel, als die sieben klapprigen LKWs den staubigen Weg von Lapa hinaufkeuchten. Zweimal blieben die Lastautos im Morast stecken, zweimal konnten sie mit vereinter Kraft wieder freigeschaufelt werden. Oben am Hügel war die Reise zu Ende. Unter den Planen krochen, halb erschöpft, halb erleichtert, hundertundfünfzig Menschen hervor, bucklige Greise und kräftige junge Männer, zahnlose Großmütter und anmutige junge Frauen mit kleinen Kindern. Silvio Ribeiro, der Anführer der Gruppe, nahm eine lange Stange, band eine rote Fahne an ihre Spitze, rammte sie in die Erde und erklärte: „Das ist nun unser Land.“

    Noch während sich die Leute daran machten, schwarze Plastikplanen zum Schutz gegen Sonne und Regen aufzuspannen und ihr Hab und Gut darunter zu lagern, kam die Polizei. In Autos, zu Pferde, mit Schlagstöcken und Gewehren. Ohne lange Diskussion prügelten sie auf die Menschen ein, auch auf Frauen und Kinder. Blut floss. „Eine, die im fünften Monat schwanger war, verlor als Folge der Vertreibung ihr Baby“, erzählt Ribeiro. Binnen fünfzehn Minuten mussten die Menschen verschwinden und das wenige, das sie mitgebracht hatten, zurücklassen.

    Keine zwei Wochen später, am 9. Januar 2003, kamen sie wieder. Wieder bauten sie ihre Planen auf, wieder fürchteten sie, vertrieben zu werden. Doch nichts geschah. Bis heute nicht. Der Unterschied? „Der Unterschied heißt Lula“, ist sich Silvio Ribeiro sicher. „Bis Dezember hieß der Gouverneur von Paraná Jaime Lerva. Er war ein Freund der Großgrundbesitzer, und er ist verantwortlich für die Ermordung von Dutzenden von Landlosen. Der neue Regierungschef, Roberto Iguão, sagt ‚ich schlage keine armen Leute‘. Und er unterstützt Lula.“

    Präsident Luiz Inácio „Lula“ da Silva, seit 1. Januar im Amt, gilt als die Hoffnung der Armen und Unterdrückten Brasiliens. Knapp 50 der 170 Millionen Brasilianer sind von Hunger bedroht. Lula hat ihnen „Fome Zero“, Null Hunger, zugesichert. Ein Prozent der Landeigentümer besitzt fast die Hälfte der Agrarflächen. Lula verspricht eine radikale Landreform. Und nicht nur das: Arbeiter sollen höhere Löhne erhalten, Arbeitslose mehr Arbeitsplätze und Indios mehr Lebensraum. Kinder sollen in die Schule gehen, Alte und Kranke gepflegt und der Regenwald geschützt werden. Kurz: alle, aber diesmal wirklich alle, sollen vom Reichtum des Riesenlandes profitieren.

    Doch Brasilien kämpft mit einer riesigen Schuldenlast, die korrupte Vorgängerregierungen und ein zwanzigjähriges Militärregime hinterlassen haben und die bereits 65 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Allein die Zinsen von 7,5 Prozent des BIP machen jede Hoffnung auf ein Entrinnen zwecklos – und das, obwohl das Land einen Budgetüberschuss von 3,75 Prozent vor Schuldendienst erwirtschaftet. Der vom Internationalen Währungsfonds verordnete Realzinssatz von zwölf Prozent macht jede Investition in Arbeitsplätze unprofitabel. Wie also, so fragt sich alle Welt, soll Präsident Lula die hochgeschraubten Erwartungen in seine Amtsführung erfüllen? Droht nicht bald der empörte Aufstand derer, die den ehemaligen Gewerkschaftsführer an die Spitze des Landes getragen haben, der sozialen Bewegungen und der linken Basis seiner eigenen Partei? Zumal Lula den internationalen Finanzinstitutionen die Einhaltung aller Verpflichtungen zugesichert hat?

    „Wir wissen, dass Lula eine Kerze für den Teufel und eine für die Muttergottes anzünden muss“, beschwichtigt Darby Igayara, Sekretär des linken Gewerkschaftsdachverbandes CUT in Rio de Janeiro. „Wenn Brasilien das Vertrauen der Finanzmärkte verliert, können wir alle einpacken. Deswegen muss Lula zuerst einmal Stabilität garantieren. Wenn das gelingt, ist immer noch eine Neuverhandlung der Schuldenfrage möglich.“ Wie aber will die neue Regierung mit so viel Zurückhaltung das Armutsproblem lösen? „In diesem Land haben Regierungen noch nie Probleme gelöst, sondern immer nur geschaffen“, winkt Igayara ab. „Wenn Lula die sozialen Bewegungen unterstützt und uns arbeiten lässt, dann ist das schon mehr als alle seine Vorgänger zustande gebracht haben.“

    „Wir wissen, dass eine Änderung der Verhältnisse weiterhin nur mit Druck von unten stattfinden wird. Die Regierung kann das nicht von oben herab ändern“, legt auch Dino Castilho vom agrarwissenschaftlichen Institut DESER in Curitiba im Süden Brasiliens die Latte tief. In der Landfrage erwartet Castilho „keine Revolution, auch wenn wir uns die von ganzem Herzen wünschen würden“, sondern lediglich eine Ausschöpfung der gesetzlichen Möglichkeiten zur Neuverteilung von Grund und Boden. So plant die Regierung, zuerst jene Großgrundbesitzer zu enteignen, die – was nicht selten ist – auf ihren Latifundien Drogen anbauen oder Zwangsarbeiter und Kinder beschäftigen, erzählt Valter Bianchini, Lulas Staatssekretär für Landreform der Welt am Sonntag. Außerdem sollen brachliegende Ländereien an Arme vergeben werden: „Eigentum verpflichtet“, so Bianchini. „Wer sein Land nicht nutzt, wird enteignet.“ Dafür erhalten die Großgrundbesitzer immerhin eine Entschädigung, die in Form von Pfandbriefen und Staatsobligationen ausbezahlt wird. Die Vorgangsweise schont trickreich das Budget und hält gleichzeitig das Vertrauen in- und ausländischer Investoren in Rechtsstaatlichkeit und Eigentumssicherheit aufrecht.

    Bianchini schätzt, mit der gesetzeskonformen Umverteilung von Land Millionen von landlosen Familien eine Existenzgrundlage verschaffen und letztendlich den Hunger besiegen zu können. „Wenn wir den Konsens von Besitzenden und sozialen Bewegungen suchen, werden wir zwar vielleicht langsamer, aber letztlich erfolgreicher sein als andere lateinamerikanische Linke“, hofft der Staatssekretär.

    Die ersten zwei Monate Amtszeit scheinen ihm Recht zu geben. Militär und Wirtschaftseliten, ja sogar die USA scheinen dem Charme des linken Präsidenten erlegen zu sein. „Vermutlich fürchten sie eine bewaffnete Revolution, wenn die Regierung scheitert“, meint Peter Naumann, ein Brasilianer aus Porto Alegre mit deutschen Vorfahren. Selbst die von Großkonzernen dominierten Medien behandeln Lula als das, was er für einen Großteil der Bevölkerung zu sein scheint: ein politischer Popstar. Lula im Armenviertel, Lula bei Bush, Lula als Vermittler im Venezuela-Konflikt, Lula mit Globalisierungskritikern und Wirtschaftsbossen: Der bärtige Präsident mit der Teddybärenstimme ist allgegenwärtig. In wenigen Wochen Amtszeit ist aus dem Revolutionär ein veritabler Landesvater geworden, dem laut einer aktuellen Umfrage 72 Prozent der Brasilianer Regierungstauglichkeit bescheinigen. Zum Vergleich: Lulas Vorgänger Fernando Henrique Cardoso trauten 1997 nur 39 Prozent zu, das Land verwalten zu können.

    Die Erwartungen sind dabei höchst unterschiedlich. „Früher haben wir hier Tapire und Gürteltiere gejagt, nun gibt es keine Tiere mehr, weil die Papierindustrie den Urwald zerstört hat“, klagt etwa Caçique Carlos vom Volk der Guaraní in seinem Dorf in Espirito Santo: „Unsere Alten sind darüber sehr traurig, doch Lula wird uns unser Land zurückgeben.“ „Lula wird einen großen Kampf gegen die Unternehmer führen“, glaubt auch Augusto Cesar Jambeiro von der Papiergewerkschaft Sinticelpa im Bundesstaat Bahia. „Und wir werden siegen! Vamos ganhar!“ Jambeiros Chef Geraldo Haenel, Direktor der multinationalen Industriegruppe Klabin, ist dagegen überzeugt, dass der neue Präsident Gewerkschafter und Unternehmer miteinander versöhnen wird: „Ich bin sehr optimistisch und glaube, dass Lula eine sehr gute Regierung führen wird.“

    „Die Regierung soll ihren Krempel machen, ich mache meinen“, gibt sich Vanderlei da Silva dagegen illusionslos. Der arbeitslose Landarbeiter ist in einer Favela aufgewachsen, einem Armenviertel am Rande der Stadt Curitiba. Seit 17 Jahren ist er unterwegs auf der Suche nach Land. Mehr als zehn erfolglose Besetzungen hat der 26jährige schon mitgemacht, immer wieder wurden er und seine Familie von der Polizei vertrieben. Unter einer schwarzen Plastikplane wartet er nun, ob sie wieder mit den Schlagstöcken kommen.

    Doch diesmal sieht es wirklich gut aus. Gerade hat Carlos Cardoso von der Landlosenbewegung MST (Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra) in Curitiba gute Nachrichten überbracht: Die INCRA, die Behörde für Agrarreform habe signalisiert, dass den Familien das besetzte Land zugesprochen werden soll. „Das heißt nicht, dass unser Kampf zu Ende ist“, meint Cardoso, auf dessen T-Shirt das Gesicht des Kuba-Revolutionärs Ché Guevara prangt. „Lula ist zwar einer von uns, aber er wird uns nicht helfen können, wenn wir nicht weiterhin Druck ausüben – letztlich auch auf ihn“, sagt Cardoso und streckt die Hand zur Faust: „Wir kämpfen weiter – für ein anderes Brasilien.“

    Der Unternehmer Geraldo Haenel hat in seiner Papierfabrik in Bahia etwas ganz ähnliches gesagt: „Es muss alles anders werden, damit Brasilien eine Zukunft hat“. Ob die beiden dasselbe meinen?