Schlagwort: Brasilien

  • Gilberto Gil

    Heute durfte ich – danke Alexander Spritzendorfer fürs Kontakt herstellen – den wunderbaren Musiker und ehemaligen Kulturminister der brasilianischen Grünen Gilberto Gil kennenlernen.

    Er kam im Trainingsanzug und – wegen seines gestrigen Konzerts – etwas verschlafen aus seinem Hotelzimmer, sein Management hatte ihn offenbar nicht von unserem vereinbarten Termin informiert, und dennoch war er sofort sehr offen und interessiert. Die Kurzfassung und Essenz unseres Gesprächs: Er empfindet Politik – nach seinen Jahren als Minister – als etwas, wo Wahrheit und Ehrlichkeit keinen Platz hat und ist heilfroh, wieder Künstler sein zu dürfen. Etwas, das mir sehr zu denken gibt und wo ich gern den Gegenbeweis antreten würde. Und am liebsten hätte ich ihn minutenlang für das umarmt, was er ist: Ein unglaublich liebevoller Mensch.

  • taz: Adidas feiert in Nazi-Villa

    Feiern zwischen Hakenkreuzen

    Der deutsche Sportartikelkonzern lud im brasilianischen Rio de Janeiro zu einer Party in eine mit Nazi-Memorabilia geschmückte Villa. Ein Fest mit Folgen.

    VON KLAUS WERNER-LOBO für die taz; Fotos: João Paulo Cuenca

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    Bayern München, die deutsche Fussball-Nationalelf und sogar Kubas greiser Diktator Fidel Castro schwören auf Adidas, die Marke mit den drei Streifen. Dieses Jahr wird der Weltkonzern aus dem bayrischen Herzogenaurach 60 Jahre alt. Das will gefeiert werden: Rund um den Globus lädt das Unternehmen ausgewählte Gäste – darunter etwa Missy Elliott und David Beckham – zu exklusiven „Adidas House Partys“.adidas3

    Vergangen Freitag feierte man in Rio de Janeiro. In einer mondänen Privatvilla im Reichenviertel Gávea konnten sich rund 400 geladene Gäste – darunter auch der Sohn des Tropicalismo-Stars Caetano Veloso, Zeca Veloso – zu Livemusik und DJs vergnügen. Oder ein Bad im Pool nehmen – mitten unter blauen und weißen Luftballons mit dem Adidas-Logo. Die Fliesen, die das Schwimmbecken umrandeten, wurden von einem anderen Symbol geziert: dem Hakenkreuz.

    Aufgefallen war das im Party-Trubel nur wenigen – wie dem Schriftsteller João Paulo Cuenca, dem auch das Bild eines Adlers mit dem Schriftzug „Hamburg Kriegsmarine“ hinter der Bar ins Auge stach. Die Kriegsmarine, das waren die Seestreitkräfte der Nazis. Als der Autor in der Umkleidekabine der Musiker auch noch das Portrait eines Marineoffiziers samt Reichsadler mit Hakenkreuz entdeckte, verließen er und weitere Künstler das Fest. Das Bild hat große Ähnlichkeiten mit Großadmiral Karl Dönitz, den Hitler zu Kriegsende testamentarisch als Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches und Oberbefehlshaber der Wehrmacht einsetzte.

    adidas2Noch in der selben Nacht schrieb Cuenca seine Beobachtungen in einem Blogeintrag auf der Seite der brasilianischen Tageszeitung „O Globo“ nieder. Die Nachricht schlug in Brasilien innerhalb weniger Stunden hohe Wellen – vor allem mithilfe von Facebook und des Kurznachrichtendienstes Twitter. Adidas wies in einer eiligen Erklärung die Verantwortung für die Auswahl der Nazivilla von sich. Die Location sei von einer Agentur gemietet worden, die in der Dekoration keine Verbindung zum Nationalsozialismus erkannt habe.

    Auch der Hausbesitzer, der Anwalt Luiz Fernando Penna, verteidigt sich: Er sei Sammler. „Eines Tages kam hier ein Typ vorbei, der zwei Schilder verkaufte: Eins mit der Inschrift der deutschen Marine und vier kleinen Hakenkreuzchen in den Ecken und ein anderes mit Hammer und Sichel. Drollig, dass sich niemand über das kommunistische Schild beschwert hat.“ In den Symbolen am Pool will er keine Hakenkreuze, sondern ein griechisches Ornament erkennen.

    Als Präsident der Nachbarschaftsvereinigung setzt sich Penna vor allem für eine Geburtenkontrolle in den Armenvierteln ein – und dafür, zum Schutze wohlhabender Anwohner eine Mauer rund um die angrenzenden Favelas zu ziehen. 500 Meter stehen bereits.

    adidas4Am Montag kündigte die israelitische Föderation in Rio die Prüfung einer Klage an. In Brasilien stehen auf die Verwendung des Hakenkreuzes zu Propagandazwecken zwei bis fünf Jahre Gefängnis. Erst vor wenigen Tagen beschlagnahmte die Polizei in Südbrasilien massenhaft Propagandamaterial und Waffen einer neonazistischen Gruppierung. Süffisant weisen brasilianische Blogger aber auch auf die Vergangenheit des deutschen Multis hin: Die Gebrüder Adi und Rudolf Dassler, die späteren Gründer von Adidas und Puma, waren nicht nur bekennende Nationalsozialisten, sie produzierten für die Wehrmacht auch den „Panzerschreck“, eine von den Allierten als „Tank Terror“ gefürchtete Panzerabwehrwaffe.

    Nach immer wiederkehrenden Vorwürfen von Kinderarbeit und ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen in asiatischen Zulieferbetrieben hat Adidas nun erneut ein Imageproblem. Rund 13 Prozent des Umsatzes gibt der Konzern nach eigenen Angaben jährlich für Werbung aus – das entspräche circa 1,4 Milliarden Euro. Dass die Adidas House Party in Rio keine gute Investition war, zeichnet sich jetzt schon ab.

  • FM4: "Aufdecker und Clown"

    Gestern war ich mit Gerald Votava am FM4-Privatstrand, hier zum Nachhören.

  • Die Aufräumerei

    Heute mal etwas über indigene Clowns: Im Volk der Krahô im Nordwesten Brasiliens heißen sie Hotxuá und nehmen eine zentrale soziale Stellung ein, vergleichbar mit dem Schamanen: Letzterer heilt das Individuum, der Hotxuá jedoch die Gesellschaft, indem er durch den Bruch von Strukturen und Logiken die Menschen zum Lachen bringt. Ich hatte die Gelegenheit, in Rio den Hotxuá Ismael kennenzulernen und fragte ihn nach dem Ursprung seiner Tradition. Die Antwort habe ich nun übersetzt und gebe sie hier möglichst wortgetreu wieder. Damit sich jeder auskennt.

    Ok, ich werde hier von den Hotxuá reden, vom Volk der Krahô. Also, der Hotxuá wurde vom Kürbis und vom Mais geboren. Weil die Kartoffel hat diese Aufräumerei gemacht. Aber vorher machten unsere Urgroßväter das Dorf klar und gingen weg; sie verließen das Dorf, alle miteinander. Ich weiß nicht wohin. Es blieb nur einer zurück, nur ein Haus. Also, die Kartoffeln die wir gepflanzt hatten, ließen wir zurück und sie blieben im Feld. Plötzlich stieg eine Kartoffel aus der Furche heraus und ging zum Dorf, um ihren Chef zu finden. Als sie im Dorf ankam war niemand mehr zu sehen. Aber sie wusste ja nicht, dass es noch einen in einem der Häuser gab. Sie ging zurück, und da sprach sie zu den anderen Kartoffeln die in den Furchen lagen, und zu den Kürbissen auch (weil im selben Feld waren alle beieinander): „Schaut, von denen die uns hier gepflanzt haben, auf diesem Feld, gibt es niemanden mehr im Dorf. Es gibt den Chef nicht mehr, niemanden mehr. Also, ich der ich eine Kartoffel bin, werde jetzt eine Aufräumerei im Dorf machen.“
    Und so machten sie eine Aufräumerei. Die Kartoffel sprach also zum Kürbis: „Du bist Hotxuá. Und der Mais, du wirst auch ein Hotxuá.“ Und deshalb gibt es den gestreiften Mais den wir sehen: auf nur einem Kolben gibt es weiß, rot, schwarz, gibt es alle Farben. Der Kürbis machte es auf seine Art genauso, völlig gestreift. Die Kürbisse machten dieses Späßchen nicht mit, erst als es vorbei wäre sollte es soweit sein dass sie ihr Späßchen machen würden. Also ging die Kartoffel singend und spielend davon. Und der Kürbis schaute nur zu, schaute nur zu…bis die Kartoffel in der Mitte des Dorfes ankam, wo man diesen Hof macht damit sich die Einwohner treffen können, und dort blieb sie stehen. Da sagte der Kürbis folgendes: „Wir, nachdem wir ja Hotxuá sind, wir werden spielen und ihr werdet nur lachen, weil wir werden unser Späßchen machen.“ Jener der im Haus war erschrak, er war dort friedlich auf dem Bett gelegen und hörte nur die Musik der Aufräumerei. Als sie endete kam er heraus. Er ging langsam, und als er ankam…da erblickte ihn die Kartoffel: „Ah, wo warst du?“ – „Ich war hier im Haus.“ – „Also hast du die Aufräumerei gehört die wir gemacht haben, weil die anderen weggegangen sind. Dann ist es so: Du musst das auch machen, so wie wir es schon gemacht haben.“ Da hörte der andere zu, und er ging auch weg weil die Kartoffel, als sie die Aufräumerei gemacht hatte, alles auseinandergeworfen hatte damit er es um nichts in der Welt wieder zusammenfügen könne.
    Jener der die Musik der Aufräumerein gehört hatte ging seinen Leuten nach und machte das Späßchen der anderen nach. Bis er im neuen Dorf ankam, das seine Leute schon aufgebaut hatten. Als er dort ankam, sprach er folgendes: „Schaut, ihr habt auf dem ganzen Feld Kartoffeln angebaut, aber sie haben die Aufräumerei gemacht und ich habe die Musik gehört die sie gemacht haben, ich habe alles gehört. Also werde ich es genauso machen wie sie, ich werde das jetzt auch machen, damit wir nicht die Kultur verlieren die sie uns überlassen haben.“
    Eben, und seit damals geht die Nacht niemals zu Ende.

    Und deswegen gibt auch Ismael die Kultur des Kartoffelfestes an seine Söhne und Neffen weiter. Das folgende Video zeigt ein Späßchen der Hotxuá bei ihrem Besuch des internationalen Clownfestivals Anjos do Picadeiro in Rio de Janeiro, Ismael kommt als Zweiter gleich zu Beginn ins Bild:

  • brasil rumo ao hexa

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    nur noch neun tage bis zur fussball-wm! seit einer woche ist ganz rio – auf dem foto die straße vor meiner bisherigen wohnung – karnevalsmäßig geschmückt. brasilien will zum sechsten mal meister werden.

    die zeitung o globo warnt heute allerdings vor der „gelben gefahr“ japan, da die japanische mannschaft dank des brasilianischen spielers zico dazugelernt habe.

    die derzeitige zeitrechnung ist „vor der wm“ oder „nach der wm“. während der wm steht nämlich alles still, was nicht unmittelbar mit fussball zu tun hat (z.b. bier).

    dann geht das normale leben wieder weiter, zumindest für ein paar tage, denn dann kommen die wahlen, und nach den wahlen ist ja bald karneval … aber wer braucht schon normales leben?

  • Kinder des Drogenkrieges

    Der brasilianische Rapper MV Bill und sein Produzent Celso Athayde haben neun Jahre lang 17 junge Drogenhändler in verschiedenen Favelas des Landes begleitet, deren Alltag für eine Doku gefilmt und das sensationelle Buch „Falcão – Meninos do Tráfico“ (Falke – Kinder des Drogenhandels) verfasst. Von den 17 Jungs sind 16 bereits tot, erschossen von der Polizei oder von verfeindeten Drogenbanden. Keiner von ihnen hat das 18. Lebensjahr erreicht. Der einzige Überlebende träumt nun davon, Zirkusclown zu werden.

    Der Drogenkrieg ist Alltag für die Millionen BrasilianerInnen, die in den Armensiedlungen der Städte wohnen; die Bandenmitglieder sind größtenteils Jugendliche ohne Ausbildung und Perspektive, die Todesopfer fast alle unter 24 Jahre alt. Auch „meine“ Favela, 150 Meter gegenüber meiner Wohnungstüre, erschüttert nachts oft unter Maschinengewehrsalven. In solchen Momenten bin ich froh, dass mein Schlafzimmer auf der abgewandten Seite der Wohnung liegt – im letzten Juli hat einmal eine Kugel die Fensterscheibe meiner damaligen Wohnung durchschlagen und landete auf dem Bett meines Mitbewohners. Zum Glück war er nicht zuhause.

    Diese Woche war anlässlich der Doku eine Podiumsdiskussion mit einem ehemaligen Trafikanten („traficante“ heißt auf Portugiesisch Dealer), der durch eine Polizeikugel queschnittsgelähmt ist, dem Soziologieprofessor Luiz Eduardo Soares und der Chefin des Drogendezernats der Zivilpolizei, Marina Maggessi, die ich vor zwei Jahren schon mal in einem Artikel über Rios Drogenkrieg zitiert habe. Maggessi hat in ihrer Laufbahn die größten Drogenbosse und hunderte kleine Dealer zu Fall oder hinter Gitter gebracht. Heute sagt sie: „Genützt hat das gar nichts. Im Gegenteil: Das Gefängnis ist eine Monsterfabrik. Und für jeden getöteten Dealer kommen zwei nach. Das Problem ist die soziale Ausgrenzung, der Mangel an Wahrnehmung durch die Gesellschaft, der fehlende Dialog.“ Sie zitiert das Beispiel Porto Alegre, wo durch Partizipationsprozesse, an denen auch Polizei und FavelabewohnerInnen beteiligt waren, die Anzahl der Morde um 40 Prozent reduziert werden konnte. „Ich habe gelernt, mit der Pistole umzugehen, aber heute ist meine stärkste Waffe das Wort.“

    Angesichts der Tatsache, dass allein in Rios größter Favela pro Woche drei Millionen Euro Gewinn mit dem Verkauf von Kokain und Marihuana gemacht werden, wird es allerdings mehr als Worte brauchen. Zu viele – Händler, korrupte Polizisten und Politiker – verdienen an der Tatsache, dass der Verkauf und Konsum von Drogen kriminalisiert und in damit in die Schattenwirtschaft gedrängt wird.

  • uruguay rulez ok

    wir brasilianer blicken ja gerne auf die uruguayos herab, vermutlich weil das land so klein und arm ist und irgendwannmal uns gehoert hat. in wahrheit ist uruguay aber super und die uruguayos total nett zu uns brasilianern. abgesehen von jeder menge gegend rundherum koennen sich der uruguayaner und die uruguayanerin mitsamt ihren gaesten einer sehr gemuetlichen hauptstadt namens montevideo erfreuen, die sich locker mit europaeischen metropolen messen kann, wenn man etwa kulturangebote, architektur, gastronomie, infrastruktur, vielfalt, badestraende und frischen fisch als werte urbanen lebensgefuehls betrachtet. und das alles zu preisen, die den ehemaligen ostblock in den schatten stellen (wo der ja auch herkommt). und was uns brasilianern zu denken geben sollte: der montevideano in seiner ueberwiegenden mehrheit ueberfaellt nicht, raubt nicht, vergewaltigt nicht und schiesst einen nicht ueber den haufen, was man nicht so ohne weiteres von jedem carioca behaupten kann. wir sollten alle mal ueber unsere vorurteile nachdenken.

  • schwein gehabt

    cobra

    die letzten tage war ich mit meinem freund philipp auf der wunderschönen ilha grande und hab dort einen spaziergang quer über die insel zu den überresten des alten gefängnisses gemacht, in dem während der militärdiktatur politische gefangene und bis in die neunziger jahre schwerverbrecher interniert waren.

    auf dem rückweg wär ich fast auf eine schlange draufgestiegen, die ich dann fotografiert und heute über sie ein bisschen recherchiert habe:

    „das gift der coral attackiert das zentralnervensystem und tötet fast immer“, heißt es da. „die schlange ist aber nicht so gefährlich, weil sie sich nicht zum angriff vorbereitet. ihre opfer sind vor allem kinder die barfuss gehen“. oder so wahnsinnige wie ich, die das im urwald auch gerne tun.

  • Caetano e eu

    meu-amigo-caetano

    Heute endlich wieder mal mit Caetano Veloso über die alten Zeiten geplaudert.

  • Clandestino

    Was mir nicht gelungen ist, hat der Muamba wiedermal geschafft: Mit einem bühnenreifen Auftritt in der Botschaft die Autoritäten verwirrt und mir ein Visum verschafft. Ich bin jetzt legal!

    Ai que saudades!!!