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Reisemagazin: „Allein im Paradies“

Seit der Taifun „Eliane“ in Mosambik und Präsident Robert Mugabe in Simbabwe gewütet haben, bleiben dort die Touristen aus. Das Reisemagazin hat sich in die Krisenregion gewagt und fand dort freundliche Menschen, verlassene Palmenstrände, donnernde Wasserfälle und wilde Tiere. Letztere dürften die einzigen sein, denen die Besucher nicht abgegangen sind.

Manche Länder kennt man aus Reisekatalogen und Bildbänden. Das sind die, wo man gerne hinfahren würde, wenn man Zeit und Geld hätte. Dann gibt es Länder, die kennt man aus der Zeit im Bild. Dorthin fahren die Kriegs- und Krisenreporter, und mit ihnen allenfalls eine Handvoll Hilfsorganisationen.

Wenn ein Land von den Reiseregalen ins „zu erledigen“-Fach des Aktuellen Dienstes rutscht, dann ist meistens Schluss mit lustig. Denn wo Erdbeben beben, Wirbelstürme wüten und Rebellenhorden brandschatzen, da ist nicht gut Zehen in den weißen Sand bohren und Sundowner trinken. Terroristen, Despoten und Putschgeneräle machen eben keine gute Figur als Sympathieträger des Fremdenverkehrs.

Wer nun als Tourist akkurat in eine Gegend will, deren Name gerade die Stimmbänder des Nachrichtensprechers verlassen hat, kann im Reisebüro ganz schön was erleben. „Nach Simbabwe wollen’s?“ sagt der Mann hinter dem Pult mit einem Blick, der ihn als Experte für psychiatrische Grenzfälle ausweist: „Wollen’s Ihnen derstechen lassen?“ Ja bitte, ich meine, nein, und nach Mosambik bitteschön auch. Der gute Mann kriegt eine Miene, dass ich mir Sorgen mache: „Sie wissen aber schon dass der, der …“ Mugabe, sage ich, „ja, dass der alle Weißen abschlachtet, und dass Mosambik unter Wasser steht, seit, seit …“ Eliane, sage ich.

Bob und Eliane. Seit die beiden im heurigen Winter über die zwei Länder im Südosten Afrikas gekommen sind, traut sich fast kein Tourist mehr nach Simbabwe oder Mosambik. Bob ist der Spitzname von Robert Gabriel Mugabe, seit den ersten freien Wahlen 1980 unangefochtener Staatschef Simbabwes. Und Eliane ist das Kosewort für den Wirbelsturm, der im Februar von Madagaskar her über den Süden Mosambiks fegte, die Flüsse über ihre Ufer treten ließ, mit ihrer Macht ganze Landstriche meterhoch überschwemmte und damit Zehntausenden Heimat und Lebensgrundlage nahm.

Mugabes Macht dagegen drohte zum gleichen Zeitpunkt unterzugehen. In einem letzten Kraftakt schürte er den Hass gegen jene etwa 4.000 weißen Farmer, die noch immer siebzig Prozent des fruchtbaren Landes besitzen, während die große Masse der landlosen Bauern vergeblich auf eine Agrarreform und auf die Rückkehr zu den einst gestohlenen Ländern ihrer Ahnen hofft. Bei den Parlamentswahlen Ende Juni konnte Mugabe zwar die relative Mehrheit seiner Partei Zanu PF retten, erstmals aber sitzt ihm nun eine ernst zu nehmende Opposition im Nacken.

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Mein Nacken schmerzt etwas, als ich aus dem Flieger steige. Eine ganze Nacht sind wir nach Johannesburg geflogen, und von dort noch einmal zwei Stunden nach Victoria Falls. Mosi oa tunya heißen die Fälle bei den Einheimischen, donnernder Rauch, und in der Tat sehen wir schon im Anflug die große Rauchsäule – wie ein Buschbrand -, die aus der Tiefe steigt. Und je näher wir kommen, desto deutlicher vernehmen wir das grollende Donnern der 1.700 Meter breiten Fälle.

Bis zu 34 Millionen Liter Wasser stürzen hier jede Sekunde in die hundert Meter tiefe Schlucht. Normalerweise ist Victoria Falls – benannt nach der britischen Königin, die einst als Herrscherin über die Kolonie Rhodesien das Naturschauspiel bestaunte – ein geschäftiges Touristenzentrum. Doch vor wenigen Tagen hat die junge Republik Simbabwe gewählt, und Robert Mugabe, dessen Konterfei samt Hitlerbärtchen in jedem öffentlich zugänglichen Gebäude prangt, hat für den knappen Sieg das Image seines Landes geopfert. Jetzt stehen nur ein paar Unentwegte mit gelben Regenmänteln im Sprühregen der Fälle. Auf der Eisenbahnbrücke über dem Sambesi, wo sich normalerweise das Adrenalin staut, hat sich heute ein Einziger zum Bungeesprung in die Tiefe eingefunden. Die Männer an der Seilwinde nehmen’s gelassen: „Es hat Wahlen gegeben. Bald wird es besser.“

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Die Fenster im Zug nach Harare zieren noch immer die Initialen RR – Rhodesian Railways. Cecil Rhodes hatte Ende des 19. Jahrhundert mit seiner British South African Company und dem Segen der Königin ein Land in der Größe ganz Frankreichs und Spaniens zu seinem Privatbesitz gemacht. Das Volk der Matabele wurde zur Arbeit für die Company gezwungen. Wer sich weigerte, wurde erschossen. Am 23. Jänner 1897 schreibt ein englischer Lord in einem Brief an seine Frau, „dass die einzige Chance für eine Zukunft dieser Rasse die Ausrottung aller Männer und Frauen über vierzehn Jahre“ sei.

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Harare mit seinen 1,5 Millionen Einwohnern ist eine moderne Großstadt mit weitläufigen Parkanlagen und internationalen Hotels. Bloß, die Hotels sind leer. „Guten Morgen, mein Name ist Frederick, ich bin ihr persönlicher Kellner“, sagt der Pinguin auf der Frühstücksterrasse. Verdutzt frage ich, wo denn die anderen Gäste seien. „Es waren Wahlen“, sagt Fred, „doch es wird besser“. Die Jugendlichen am Mbare-Markt außerhalb der Stadt, wohin – dem Blick nach zu schließen, mit dem mich alle anstarren – schon lange kein Weißer mehr einen Fuß gesetzt hat, zeigen mir die flache Hand: das Zeichen der Opposition. Wird es besser? „Vielleicht. Vielleicht nicht.“

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Im Nordwesten des Landes liegt der Kariba-Stausee, mit 5.600 Quadratkilometern der größte künstliche See der Erde. 86 Menschen sind beim Bau des Staudamms in den fünfziger Jahren umgekommen. Die Leichen von 17 Männern sollen noch immer in der 128 Meter hohen Mauer eingemauert sein.

Eines Tages werde der Flussgeist Nyaminyami Rache nehmen, prophezeit das Volk der Tonga, das damals von den Ufern des Sambesi vertrieben wurde. Für sie und für viele andere Bantustämme ist die im Wasser versunkene Karibaschlucht das spirituelle Zentrum der Welt, an dem einst Lulungwa-Mangakatsi, der Fluss der Ewigkeit geflossen ist. Alte Menschen pilgerten früher hierher und blendeten danach ihre Augen mit den Tropfen des Sisalbaums, um den Anblick des Paradieses nicht durch irdische Bilder zu verdrängen.

Auch die Rhodesier fühlten sich offenbar an den Garten Eden gemahnt, als sie 1959 in einer „Operation Noah“ 5.000 Tiere retteten, die auf den letzten Hügeln Zuflucht vor den Fluten gesucht hatten. Heute tummeln sich Elefanten, Löwen, Zebras und Büffel unter den Strommasten der 380-Kilovolt-Leitungen und in den nahe gelegenen Nationalparks. In der Stadt wird davor gewarnt, sich nachts herumzutreiben – wegen der Raubtiere und wegen der Krokodile am Seeufer. Die haben „eine Zuschnappgeschwindigkeit von zwei Metern pro Sekunde“, wie ein Reiseführer lapidar vermerkt: „Entkommen ist illusionär“.

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Im Jahr 1977 gründete der rhodesische Geheimdienst die Untergrundarmee Renamo gegen die junge schwarze Revolutionsregierung im östlichen Nachbarland Mosambik. Die Renamo setzte von da an 17 lange Jahre den Terror der portugiesischen Kolonialherren gegen die Bevölkerung fort – mit den Mitteln des Guerillakampfes. Als Souvenir des vom südafrikanischen Apartheidregime mitfinanzierten Bürgerkrieges bleibt eine geschätzte Million Landminen, die noch immer teilweise unentschärft im mosambikanischen Busch lauern.

Seit 1992 ist Friede, und es ging – für kurze Zeit – bergauf. Als im Februar der Wirbelsturm Eliane den Süden des Landes verwüstete und wieder Tausende starben und Zehntausende heimatlos wurden, müssen die Menschen hier wohl gedacht haben: Entkommen ist illusionär.

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Es geht hoch her am Markt des kleinen Dorfes im Norden von Mosambik. Kinder schieben lärmend selbst gebastelte Drahtautos um die Wette, bunt gewandete Frauen preisen frische Bananen, Kokosnüsse und Papayas an, ein junger Mann tanzt inmitten des Treibens mit seinem Radiogerät. Plötzlich hält ein südafrikanischer Reisebus mitten im Dorf. Während alles verstummt und sich neugierig um den Bus schart, entsteigen wortlos ein paar Gestalten, Marsmenschen gleich, klappen mit flinker Hand ihre Klapptische auf, hantieren mit in Plastiksäcken verpacktem Astronautenfutter und verzehren es vor den Augen des staunenden Publikums. Keine zehn Minuten später ist alles wieder zusammengeklappt und die Außerirdischen verschwinden wortlos hinter Glastüren. Das Ufo hat schon den Motor angelassen, da öffnet sich noch kurz ein Fenster und eine bleiche Hand streut Süßigkeiten auf den Boden vor den Kindern. Das Fenster schließt sich, der Bus ist eine Staubwolke am Horizont.

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Wir sind in diesem Bus, und unser Bedenken, dass die eben stattgefundene Fütterung weder ethisch noch zahnhygienisch zu vertreten sei, wird mit Schulterzucken quittiert. Einige hundert Kilometer weiter hat die Flut eine Brücke weggerissen. „Jetzt haben wir denen zwölf Millionen Dollar geschenkt“, sagt unser Fahrer, ein Südafrikaner, „und die haben das noch immer nicht hergerichtet.“ Diese Flutopfer! Haben wohl gedacht, sie können die Hilfsgelder zum Überleben verwenden, statt den Touris den Weg zum Strand freizumachen.

Wir sind die längste Zeit im falschen Bus gewesen.

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Mari und ich können jeder mehr als hundert portugiesische Wörter. Ein gutes Dutzend davon sind die selben, und so unterhalten wir uns hervorragend auf der Fahrt von Vilankulo auf die Benguerra-Insel. Es gebe keine Touristen heuer, wegen der Überschwemmungen, sagt Mari und steuert sein Boot in den Wind.

Als sich nach fünf Stunden Fahrt die Sonne hinter dem Horizont verabschiedet und das Meer von einem satten Türkis in ein tiefes Schwarz gewechselt hat, fragt mich der Fischer, welche Sterne es bei mir zuhause gebe. Nordstern und Großer Bär, antworte ich. Und hier? Mari blickt in den Himmel: „Oh, viele. Der da – der zeigt nach Vilankulo. Und der – da geht’s nach Benguerra.“

Benguerra gehört zum Archipel der Bazaruto-Inseln. An einem Tag kann man Benguerra zu Fuß umrunden. Die Insel besteht aus Busch, Dünen, Schilfhütten, Kokospalmen und weißem Sandstrand. Rundherum türkisblaues Wasser, in dem sich Delphine und höchst schmackhafte Tigerfische und Krabben tummeln. In der Benguerra Lodge, zweitausend Dollar die Nacht, kann man angeblich auf Lenny Kravitz und George Michael treffen. Doch wir treffen nicht einmal im wesentlich preisgünstigeren Gabriel’s Camp auf Touristen: wegen der Überschwemmung. Dabei gab es hier nie eine Überschwemmung.

Wir sind allein mit der Natur und den Fischern, die jeden Morgen mit reicher Beute vom Meer zurückkehren. Es wäre nur die halbe Wahrheit zu sagen, dass es hier schön ist. Es ist paradiesisch.

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Maputo, die Hauptstadt. Zwischen den Ruinen verfallener Kolonialbauten und der Skyline der Avenida 25 de Setembro pulsiert eine lärmende, fröhliche, junge Metropole. Im Vorort Caniço haben 2.000 Menschen durch die Flut ihre Häuser verloren. Auf den zerstörten Wänden steht noch der Spruch aus der Zeit des Bürgerkriegs: A luta continua – der Kampf geht weiter. Joaquim, der uns im Restaurant Diogo Garnelen serviert, sagt: „Es war schwierig. Aber ab jetzt wird es besser.“