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Megaphon: „Mein Exwohnzimmer“

In mein Wohnzimmer kommen keine Schwarzen mehr rein. Weil sie sich schlecht benehmen. Sagt der Türsteher. Und deshalb wehrt er seit neuestem Afrikaner höflich, aber bestimmt ab: „Privat.“

Mein Wohnzimmer hat einen Türsteher? Naja, es ist nur mein Zweitwohnzimmer, und ich teile es mit anderen, die sich so wie ich manchmal vorm Schlafengehen gern noch an eine Bar setzen und anderen beim An-der-Bar-Sitzen zusehen. Der Gin Tonic kostet zwei vierzig, das ist O.K. als Miete und gut für die Atmosphäre. Man ist sich irgendwie vertraut und bleibt dabei anonym, und außer ein paar Kubikmetern verrauchter Luft teilen wohl einige der Anwesenden den Wunsch, heute Nacht nicht allein vom Wohn- ins Schlafzimmer zu wechseln. Es soll sogar Menschen geben, die eine Bar mit dem Ziel des anschließenden Austauschs von Körperflüssigkeiten besuchen.

Wie es zu sowas kommt, weiß niemand genau. Aber in meinem Wohnzimmer kann man die unterschiedlichsten Versuchsanordnungen beobachten: Einige bewegen Arme und Beine in rhythmischen Zuckungen zur Musik, um auf ihre Gelenkigkeit aufmerksam zu machen. Andere stehen scheinbar gelangweilt herum und signalisieren, dass wahre Leidenschaft erst erobert sein will. Wieder andere kampfgrinsen, als gälte es einen Präsidentschaftswahlkampf zu gewinnen. Und besonders Wagemutige begehen Unerhörtes: Sie sprechen die Zielperson an.

Was sie dabei sagen, kann nur Gegenstand von Spekulationen sein. Das Spektrum geht jedenfalls weit über die Klassiker „Hastu Feuer/Tolle Musik/Schöne Augen/Zudiroderzumir“ hinaus. An der Reaktion der Zielperson können sensible Geister ablesen, in welcher Intensität die Kommunikation fortgesetzt werden sollte. Unsensible Geister und solche, die dem Einfluss von Gin Tonic und ihren eigenen Körperflüssigkeiten wehrlos erlegen sind, können das nicht. Und schießen manchmal so übers Ziel, dass es unangenehm wird. Schlecht für sie, schlecht für die Zielperson, schlecht für den Flüssigkeitshaushalt.

Und schlecht fürs Image des Lokals, meint mein Wohnzimmerbesitzer. Weswegen er Menschen, die ihren Haushalt nicht unter Kontrolle haben, per Türsteher abweisen lässt.

Das ist legitim. Nicht legitim ist, wie er das macht. Der Besitzer meines Wohnzimmers meint nämlich, einen Zusammenhang zwischen der Hautfarbe männlicher Besucher und deren Balzverhalten erkannt zu haben. Er meint, beobachtet zu haben, dass sich Männer dünklerer Hautfarbe weiblichen Barbesucherinnen besonders häufig in aufdringlicher Weise nähern. Und hat deshalb seinen Türsteher angewiesen, erst einmal alle Schwarzen am Zutritt zu hindern.

Darauf aufmerksam gemacht, dass eine Einlasspolitik aufgrund der Hautfarbe nicht nur rassistisch, sondern auch gesetzlich verboten ist, reagiert er empört: Er könne gar nicht rassistisch sein, immerhin habe er einen schwarzen Barkeeper und sei sogar schon mal in Afrika gewesen. Aber leider, so sagt er, beschwerten sich immer wieder (weiße) Besucherinnen über das Verhalten „der Afrikaner“.

Ihre Wahrnehmung sei ihnen unbenommen, die Pauschalisierung nicht. Niemand spricht Lokalbesitzern das Recht ab, auffällig gewordene Täter abzuweisen. Aber was bitte, wenn nicht Rassismus, ist die Haftung per Hautfarbe für das Verhalten anderer?

Der Schutz vor sexistischer Belästigung ist dringend notwendig. Vor allem schwarze Frauen wissen ein Lied davon zu singen, dass sie von weißen Männern oft als Freiwild betrachtet werden. Ich kenne kein Lokal, das deshalb weißen Männern den Zutritt verweigert. Als Wohnzimmer wäre ein solches für mich auch nicht geeignet.