„Werner-Lobo ist Autor und Clown“, steht seit Wochen unter dieser Kolumne. Diesmal möchte ich erklären, warum ich meine journalistische Ernsthaftigkeit gerne auch mal der Lächerlichkeit preisgebe.
Immer wenn die Häuptlinge des nordamerikanischen Volkes der Hopi hoch zu Ross ihre Macht demonstrierten, zäumten die Chühü’wimkya ihre Pferde von hinten auf. Die „Gegenteilmenschen“, wie diese Clowns bei den Hopi hießen, provozierten dann lärmend und obszön gestikulierend Gelächter und stahlen ihren Führern die Show. Und wenn der mächtige Schamane das Volk mit Magie und Zauberei beeindruckte, wurde er von den Gegenteilern so ungeschickt imitiert, dass alle lachend seine Tricks durchschauten.
Wirtschaftskrise, Klimawandel, Krieg, Umweltzerstörung, Ausbeutung, Diskriminierung, Arbeitslosigkeit, Sozialabbau: Das alles ist natürlich kein Grund zum Lachen. Oh nein: Es ist, je nach Geschmack und Tagesverfassung, zum Fürchten, zum Ausderhautfahren oder zum Verzweifeln. Ja eh. Nur: Das hilft alles nichts. Schlimmer noch: Es hilft erst wieder nur den Mächtigen. Denn deren Macht gründet sich vor allem auf unserer Angst, unserem Frust und unserer Resignation. Wer sich fürchtet, lehnt sich nicht auf und ist beherrschbar.
Früher war der Hofnarr der Einzige, der den König öffentlich kritisieren konnte. „Kinder und Narren sagen die Wahrheit“, heißt es. In Umberto Ecos „Der Name der Rose“ versuchen die Kirchenfürsten, Aristoteles’ Buch über die Komödie zu verbieten, weil sie wissen, dass die Menschen mit dem Lachen ihre Angst – und sie selbst damit ihre Macht – verlieren würden. Deshalb fürchten die Mächtigen nichts mehr als Menschen, die Spaß haben. Wäre Charlie Chaplins grandioser Film „Der große Diktator“ im Dritten Reich gezeigt worden, hätte dann nicht sogar Hitler seine mystische Aura eingebüßt, weil die Leute über dessen absurdes Gehabe gelacht hätten?
Clowns wie Chaplin sind das Sinnbild der Imperfektion und daher auch eine Art „Anti-Gewalt“ gegen die diktatorische Welt der Marken und Ideologien, die Perfektion vorgaukeln und diese bei Bedarf auch gewaltsam durchsetzen. Der Clown ist der Archetyp dessen, der verliert, fällt, scheitert. Seine Nase ist rot, weil er dauernd auf die Schnauze fällt, häufig weint und zuviel trinkt. Seine Kleidung ist zu groß, weil sie ihm nicht gehört. Doch er ist ein glücklicher Looser: Denn wer alles, sogar die eigene Würde, verloren hat, hat nichts mehr zu verlieren. Und wer nichts mehr zu verlieren hat, hat nichts zu befürchten. Und wird damit gefährlich.
Nicht umsonst wurden viele große Clowns – wie Chaplin, Dario Fo, Leo Bassi oder Jango Edwards – für ihre subversiven Späße verhaftet und von den Mächtigen bekämpft. Im vergangenen Herbst sollte auch das Kabarettistenduo Stermann und Grissemann mit Auftrittsverbot belegt werden und erhielt sogar Morddrohungen, weil sie die Mystifizierung des verunfallten Rechtspopulisten Jörg Haider dorthin geführt hatten, wo sie hingehört: ad absurdum. Bei den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm vor zwei Jahren war es die Rebel Clown Army, die erfolgreich die Polizeisperren durchbrach – anstatt gewaltsam gegen sie vorzugehen, „spielten“ die Clowns freundlich mit den Polizeibeamten .
Die Chühü’wimkya, die Gegenteiler, galten bei den Hopi einst als Garantie für das soziale Gleichgewicht der Gesellschaft, als wirksamstes Mittel gegen Machtmissbrauch. Was wir daraus lernen? Wer den Ernst der Lage erkannt hat, darf vor allem eines nicht: sich das Lachen verbieten lassen.