Es war keine gute Woche für Shell: Ein US-amerikanisches Gericht will nun endlich die Mitschuld des Ölkonzerns am Tod des nigerianischen Menschenrechtsaktivisten Ken Saro-Wiwa prüfen. Egal wie der Prozess ausgeht: Er ist eine Gelegenheit, alle Welt an die schmutzigen Geschäfte mit korrupten Diktatoren zu erinnern. Auch Adidas trug diese Woche ein paar Imagekratzer davon. Das deutsche Unternehmen kam nicht nur wieder mal wegen ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse in asiatischen Zulieferbetrieben ins Gerede, sondern ausgerechnet wegen einer Party in einer Nazi-Villa in Rio de Janeiro. Schön blöd.
Und auch IKEA kriegte dieser Tage ein Imageproblem. Deren Österreich-Sprecherin Barbara Riedl hat die Mailbox gestrichen voll. Und die Schnauze offenbar auch. „Ich kann mich vor E-Mails kaum erwehren. Wir kommen da völlig unschuldig zum Handkuss“, beschwert sie sich mir gegenüber am Telefon. Hunderte Protestmails haben ihr Postfach zum Überlaufen gebracht. Beschert haben ihr das die AktivistInnen der „Clean Clothes Kampagne“, die dann zu allem Überfluss noch bemängelten, dass Ikea nicht auf die Proteste reagiere – dabei hatten die doch selbst das Mailsystem lahmgelegt.
Wenn Menschenrechtsgruppen wie die „Kampagne für Saubere Kleidung“ loslegen, ist in den PR-Abteilungen großer Konzerne die Hölle los. Vergangene Woche hat das internationale Aktionsbündnis zum Protest gegen das schwedische Möbelhaus, den OTTO-Versand und andere Firmen aufgerufen.
War in der Vergangenheit häufig Ziel von Kritik, die in der Folge zu Imageschäden für Hersteller führte: Sportschuhproduktion in Vietnam.
Die Unternehmen lassen in der türkischen Zuliefererfabrik Menderes Tekstil unter anderem Bettwäsche produzieren. Aufgrund von Sicherheitsmängeln kam es dort in den letzten Jahren zu zahlreichen Unfällen. Zudem behindere die Geschäftsführung Gewerkschaften und gehe gezielt gegen ihre VertreterInnen vor. „Die Arbeit bei Menderes Tekstil ist gefährlich, da internationale Sicherheits- und Gesundheitsstandards nicht eingehalten werden“, sagt Julia Thimm von der Menschenrechtsorganisation INKOTA. Am 20. November 2008 verunglückte ein Arbeiter tödlich, als er in den Lüftungsschacht eines Kohleheizers fiel. Ingesamt starben in den vergangenen Jahren vier Arbeiter nach Unfällen in der Fabrik.
Die Unternehmen weisen die Vorwürfe zurück. „Wir prüfen das seit einem Jahr. An den Fällen dürfte nichts dran sein“, sagt IKEA-Sprecherin Barbara Riedl. „Und wenn, dann hätte das Konsequenzen für den Lieferanten.“ Auch OTTO will zuerst einmal prüfen – und seinem Lieferanten gegebenenfalls auf die Zehen steigen. Falls überhaupt jemand schuld sei, so die Message, dann der türkische Zulieferer. Immerhin haben heute alle großen Markenfirmen Verhaltenskodizes, die ihre Lieferanten zur Einhaltung menschenrechtlicher Mindeststandards verpflichten. Gleichzeitig drücken sie die Preise.
Würde die türkische Fabrik nämlich tatsächlich unabhängige Gewerkschaften akzeptieren, Sicherheits-, Umwelt-, Arbeitszeit- und Gesundheitsstandards einhalten und faire Mindestlöhne zahlen, dann könnte sie kaum so billig liefern, wie das von ihren Auftraggebern verlangt wird. Die ziehen im Fall des Falles einfach weiter, zur nächsten Fabrik, nach Indien, China, Vietnam.
Dafür müssen sie zur Verantwortung gezogen werden. Zum Beispiel dort, wo sie am empfindlichsten sind: beim Image. Drohender Imageverlust schlägt sich in sogenannten Konfliktkosten nieder. Das ist eine betriebswirtschaftlich messbare Größe: Schlechter Ruf, weniger Kohle. Das ist die einzige Sprache, die in den Konzernzentralen verstanden wird.