fbpx

Megaphon: „Herbergssuche“

Das heurige Motto für Weihnachten steht bereits fest: Geiz ist geil. Die Parole des Elektrokonzerns Saturn ist wohl der formvollendetste Ausdruck eines Denkens, das den zynischen Egoismus zur allgemeinen Moral erklärt hat. Das Fest der Liebe ist schon lange abgeschafft, was zählt sind billige Schnäppchen unterm Gabentisch, die wir als Zeichen unserer Zuneigung verkaufen, verkaufen, verkaufen.

Dass Handys und andere Elektronikartikel von Saturn & Co. deshalb so billig sind, weil für den Rohstoffhandel zur Herstellung dieser Produkte der größte Krieg der Welt seit 1945 geführt wurde, wird zwar vornehm verschwiegen, letztendlich kommt es aber auch darauf nicht an: Denn Geiz ist ja geil, da soll einem keiner mit Nächstenliebe und so altmodischem Kram kommen. In all diesen Produkten steckt ein wertvolles Metall namens Tantal, und dieses ist laut den Vereinten Nationen eine der Hauptursachen dafür, dass in der Demokratischen Republik Kongo mehr als 3,3 Millionen Menschen in einem Krieg gestorben sind, der vor allem für die illegale Gewinnung der reichen Bodenschätze dieses drittgrößten Landes Afrikas geführt wurde. Der deutsche Bayer-Konzern als größter Importeur, fast alle namhaften Elektronikhersteller und letztendlich auch Händler wie Saturn und deren Kunden und Kundinnen profitieren von diesem Krieg. Geiz ist geil.

Die Menschen im Kongo und anderen afrikanischen Ländern, deren Reichtümer für die Profitinteressen multinationaler Konzerne ausgebeutet werden, finden deren Geiz womöglich weniger geil. Eine kongolesische Mutter, die zusehen muss, wie ihr Kind an Malaria stirbt, weil sie sich die Tabletten (Kostenpunkt: 1,20 Euro) dagegen nicht leisten kann, kann diesem Denken vermutlich ebenso wenig abgewinnen wie jene 70 Prozent der 50 Millionen Kongolesen und Kongolesinnen, die unmittelbar von Hunger betroffen sind, obwohl sie in einem der – auch landwirtschaftlich – reichsten Länder der Welt leben.

Schlimmer noch als in den finstersten Kolonialzeiten leistet der Süden massive „Entwicklungshilfe“ für den Norden. Das Kapital, die Ressourcen und die Arbeitskraft dieser Länder fließen nach Norden – wer kann, folgt nach. Menschen, die nicht mehr zusehen wollen, wie ihre Familien verrecken, legen ihr Leben in die Hände von Schleppern, um irgendwie dorthin zu gelangen, wohin auch ihre Lebensgrundlagen „geflüchtet“ sind. Zum Beispiel nach Österreich, ein Land, in dem die Hauptsorge vieler darin besteht, welches Handymodell gerade angesagt ist.

Und was passiert hier? Hier werden sie als so genannte Wirtschaftsflüchtlinge von Ernst Strasser auf die Straße gesetzt – auch jetzt, zu Weihnachten. Männer und schwangere Frauen, die wie seinerzeit Josef und Maria auf Herbergssuche sind, werden vom christlichsozialen Innenminister abgewiesen und leben ohne Dach überm Kopf, ohne Essen, ohne Medikamente, ohne Schule für ihre Kinder. Und nicht nur das, sie dürfen nicht einmal legal arbeiten, um sich selbst ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Wer nicht zusehen will, wie seine Kinder in einem der reichsten Länder der Welt verrecken, wird von Strasser in die Illegalität getrieben, in den Drogenhandel, in die Prostitution. Wer das nicht tut und Pech hat, wird im kommenden Winter erfrieren. So gesehen könnte man fast sagen, dass der Innenminister, der für die Sicherheit dieses Landes verantwortlich ist, sich selbst zum Handlanger der Kriminalität macht.