Der Schauspieler Tristan Jorde hat mich für die aktuelle Ausgabe von gift – zeitschrift für freies theater interviewt. Mit seiner Erlaubnis gebe ich das Interview hier wieder:
Tristan Jorde: Wie ist es dazu gekommen, dass du Kultursprecher der Wiener Grünen geworden bist?
Klaus Werner-Lobo: Beworben habe ich mich als Menschenrechtssprecher in einer Oppositionspartei, geworden bin ich Kultursprecher in einer Regierungspartei. Meine VorgängerInnen, Marie Ringler und Marco Schreuder, haben mich gebeten, an den kulturpolitischen Verhandlungen anlässlich der Regierungsbildung von Rotgrün teilzunehmen, was ich als unglaublich spannendes politisches Feld wahrgenommen habe, zumal ich persönlich die letzten Jahre selbst eine Wandlung durchgemacht habe: Die letzten 10-15 Jahre war ich als Journalist im Menschenrechtsbereich tätig, habe dann vier Jahre in Brasilien gelebt und dort eine Schauspiel- und Clownausbildung genossen, dann davon gelebt, Vorträge über meine Bücher in Form einer Clownperformance zu halten und dabei erkannt, dass man politische Inhalte mit künstlerischen Ausdrucksmitteln viel besser rüberbringen kann als als verkopfte Geschichten. Kultur ist eine schöne Möglichkeit, auch langfristige Transformationsprozesse einzuleiten und voranzutreiben. Es gibt einen schönen Spruch: Wenn du ein Schiff bauen möchtest, dann nimm keine Leute, die Bretter zusammen nageln, sondern du musst die Sehnsucht nach dem Meer wecken – und das kann Kultur!
Jorde: Im Wahlkampf gab es eine grundsätzlich begrüßenswerte Onlinediskussion über grüne Positionen zu verschiedenen Themen, aber es gab keinen einzigen Punkt zur Kulturpolitik – was ist denn jetzt eigentlich grüne Kulturpolitik?
Werner-Lobo: Unser Schwerpunkt liegt sicher nicht bei der Repräsentationskultur, sondern dort, wo wir Kultur mit gesellschaftlichen Transformationsprozessen verbinden. Wir haben es beispielsweise geschafft, als zentralen Punkt die Frage der Transkulturalität festzulegen, weil es aus unserer Sicht ein Skandal ist, dass sich in einer Stadt, in der 44 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund leben, das fast nicht widerspiegelt. Natürlich gab es immer schon diese ganzen Multikulti-Geschichten, aber in einem sehr „minderheitsartigen“, teils sehr repräsentativen Charakter. Aber interessanter ist zu schauen: was macht man mit einer Gesellschaft, in der unterschiedliche Menschen zusammenleben, die ganz unterschiedliche Geschichten zu erzählen haben, und wo will man jetzt gemeinsam hin? …
„Grüne Töne in der Wiener Kulturpolitik“Weiterlesen »