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Diverse

Deutschland wählt – ich nicht

Deutschland ist der beste Beweis für das Nichtfunktionieren der repräsentativen Demokratie. Wenn Wahlen etwas ändern würden, dann wären sie verboten, lautet ein alter anarchistischer Spruch. Was haben Rot-Grün geändert? Sie haben den Anteil erneuerbarer Energien bemerkenswert gesteigert und planen den Atomausstieg. Das ist löblich, war’s dann aber auch schon.

Rot-Grün hat vor allem Politik für Konzerne gemacht, diese steuerlich entlastet und hochsubventioniert – und damit aber keinen einzigen Arbeitsplatz gerettet. Im Gegenteil, je höher die Konzerngewinne steigen, desto mehr wird wegrationalisiert und ausgelagert. Schröders Politik hat die Reichen reicher und die Armen ärmer gemacht. Und Fischers Außenpolitik ist ein Paradebeispiel für Neokolonialismus: Das drittreichste Land der Welt setzt in den internationalen Institutionen wie WTO und Weltbank, mit seiner Rohstoff-, Atomexport- und Schuldenpolitik regelmäßig die Interessen deutscher Konzerne gegen das Ziel der weltweiten Armutsbekämpfung durch. Ganz zu schweigen von der Menschen verachtenden Migrationspolitik von Schily und Co.

Als einziges Argument für Rot-Grün bleibt also, dass Schwarz-Gelb der noch größere Horror wäre. Und dessen kann man sich wenigstens sicher sein.

Dann wäre da noch die sogenannte Linke. Mein Vertrauen in die beiden narzistischen Gecken Gysi und Lafontaine ist enden wollend. Aber in der Politik geht es ja nicht um Vertrauen, sondern um nüchterne Pragmatik, oder? Und in der gegenwärtigen Situation hat die sogenannte Linke das Potenzial, korrigierend in machtpolitische Entscheidungen einzuwirken, ohne selbst allzuviel Macht zu kumulieren. Eine gestärkte Linke als Zünglein an der Waage wäre also ein Korrektiv, brächte eine gewisse Transparenz und öffentliche Aufmerksamkeit für die breite Unzufriedenheit über die Korruption der kapitalistischen Eliten. Laut Wahl-o-mat würde ich die sogenannte Linke wählen – wenn ich nicht nicht wählen würde.

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Teure Hausarbeit

Eine Studie der Universidade Federal Fluminense hat erstmals den volkswirtschaftlichen Wert unbezahlter Hausarbeit in Brasilien berechnet – mit dem Ergebnis, dass dieser rund 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bzw. jährlich 225 Milliarden Reais (80 Mrd. Euro) beträgt. Das ist mehr als die gesamte Landwirtschaft.

Studienleiterin Hildete Pereira de Melo berechnete, dass 68 Prozent der Hausarbeit (inklusive Kindererziehung) von Frauen erledigt wird, was bedeutet, dass die Ungleichheit der Aufteilung häuslicher Pflichten in den letzten Jahren leicht gesunken ist. Während Frauen im Schnitt 27 Stunden in der Woche mit Waschen, Kochen und Kinderhüten verbringen, sind es bei Männern nur 11 Stunden. Nicht eingerechnet sind professionelle Dienstleistungen (zahlreiche brasilianische Haushalte beschäftigen Dienstmädchen oder zumindest Putzfrauen).

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Politik

„Wer sich nicht mit Politik befasst, hat die politische Parteinahme, die er sich sparen möchte, bereits vollzogen: er dient der herrschenden Partei.“ Max Weber

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Axé

heute nacht hat mich márcio auf ein ritual der afrobrasilianischen religion candomblé mitgenommen. der candomblé wurde von afrikanischen sklavInnen überliefert und ist zum unterschied von christlich/jüdisch/islamischen traditionen nichtautoritär und diesseitsgewandt – so ist zum beispiel das repressive konzept der sünde unbekannt. ziel ist im wesentlichen, von den orixás, den griechischen göttern vergleichbare mächte, durch rituale die universalenergie axé zu erlangen. axé ist der luftstrom des lebens, ähnlich dem fernöstlichen „chi“, mit dem etwa die traditionelle chinesische medizin oder lehren wie reiki, chi gong etc. arbeiten.
bis acht uhr früh wurden mit tänzen, trommeln, gesängen und afrikanischem essen vor allem der orixá der krankheiten und heilkunst obaluayiê gefeiert, dessen gesicht und körper unter einer maske und kutte aus stroh verborgen ist. frauen in weiß tanzten sich in trance und empfingen den „axé“ von den göttern, um ihn an die umstehenden weiterzugeben. zuvor wäre ich vor erschöpfung fast umgekippt, währenddessen steinalte frauen stundenlang exzessiv abtanzten.

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Unmoralisches Angebot

In Rio tagt gerade eine internationale Aids-Konferenz. Brasilien verfolgt seit Jahren eine aktive Anti-Aids-Politik; mit der kostenlosen Verteilung von Millionen von Kondomen und der ebenfalls kostenlosen Abgabe von Aidsmedikamenten ist es gelungen, die Rate der Neuinfektionen und Erkrankungen dramatisch zu senken. Mit der Drohung, die Patente zu brechen, hat die Regierung den Pharmakonzernen Zugeständnisse zur billigen Abgabe antiretroviraler Medikamente abgerungen.

Die US-Regierung hat Brasilien 40 Millionen Dollar für die Aids-Bekämpfung angeboten – unter der Bedingung, die Prostitution unter Strafe zu stellen. Sexuelle Dienstleistungen unter Erwachsenen sind in Brasilien legal und gesellschaftlich relativ weitgehend akzeptiert. Für die SexarbeiterInnen bedeutet das in erster Linie Schutz vor Diskriminierung und Zugang zu Gesundheitseinrichtungen. Ein Verbot würde diesen Schutz aufheben – und damit die Gewinne der US-Pharmakonzerne in die Höhe schnellen lassen. Brasilien hat das Angebot abgelehnt.

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Kriegsrecht in Europa

„There is only one sure way to stop a suicide bomber – destroy his brain instantly, utterly. That means shooting him with devastating power in the head, killing him immediately“, kommentiert Londons Polizeichef John Stevens die Erschiessung des unschuldigen Brasilianers Jean Charles Menezes durch Polizisten. Auch Bürgermeister Ken Livingstone, ein erklärter Gegner des Irakkrieges, rechtfertigt die „Shoot-to-kill-policy“ im Kampf gegen den Terror.

Schließlich hätten die Polizisten nicht wissen können, ob der für die Jahreszeit zu warm gekleidete Mann nicht einen Bombengürtel getragen habe, gibt auch Österreichs Ex-Innenminister Caspar Einem die „Berufssituation von Polizisten“ zu bedenken. Kann man ja nie wissen, oder? In den Online-Leserforen wird bereits argumentiert, dass sich der Brasilianer halt rascher ans britische Wetter anpassen hätte sollen.

Wer seinen mangelnden Integrationswillen in die europäische Gesellschaft durch zu warme Kleidung, nicht sofortiges Reagieren auf Zurufe von Polizisten und womöglich noch dünklere Hautfarbe unter Beweis stellt, muss also künftig damit rechnen, als potenzieller Selbstmordattentäter eine ins Hirn geblasen zu kriegen. Instantly, utterly, with devastating power, yeah!

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Rios Gays und SympathisantInnen feiern

gayparade
Heute war Parade der Schwulen, Lesben und Transgenderleute. Die Forderungen sind die selben wie in anderen Ländern: Gegen Diskriminierung, für die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Rio ist Anziehungs- und Fluchtpunkt für Homo- und Transsexuelle aus ganz Brasilien und verfügt über eine gute queere Infrastruktur. Davon profitiert allerdings in erster Linie die Mittelschicht – arm und schwul oder vor allem transsexuell zu leben und zu lieben bedeutet immer noch verstärkte gesellschaftliche Ächtung.

Von dieser zeugen auch die Bezeichungen „bicha“ (Tier) und „viado“ (Vieh) – und vom gestiegenen Selbstbewusstsein der Schwulen die Tatsache, dass sie diese Bezeichnungen mittlerweile selbst verwenden. Dieses Selbstbewusstsein wurde auch bei der heutigen Parade lautstark und fröhlich zur Schau gestellt.

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Grosse Grössen

Das sympathische und auch politisch engagierte, auf Südamerika spezialisierte Reisebüro Viventura liefert in seinem Weblog immer wieder Infos, die man sonst nirgends zu lesen kriegt, zum Beispiel diese:

Ab kommendem südamerikanischen Frühjahr werden Kleidergeschäfte in der Provinz Buenos Aires per Gesetz dazu verpflichtet auch eine Auswahl an großen Kleidergrößen anzubieten. Dieses „Gesetz der Größen“ gilt bisher nur für die Bekleidung Jugendlicher und soll dazu beitragen Essstörungen und den übermäßigen Schlankheitswahn zu bekämpfen. Geschäften die sich nicht an die Vorschriften halten drohen Geldstrafen oder sogar die Schließung.

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Nie wieder Kapitalismus

„Alle, die heute mitmachen, werden dereinst auch wieder mitmachen, wenn es heißen wird: »Nie wieder!«“ schreibt Robert Menasse in einem lesenswerten Beitrag für die Zeit über die scheinbare Unantastbarkeit des Kapitalismus:

„Stellt euch vor, Anfang der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts hätten selbst Antifaschisten gesagt: ›Der Faschismus ist unaufhaltsam, die Entwicklung geht mächtig und eindeutig in diese Richtung. Unsere Aufgabe ist es daher, diese Entwicklung mitzutragen und uns für diese Zukunft fit zu machen!‹ – würden wir heute diesen Pragmatismus (der doch zweifellos Recht hatte) bewundern oder nicht vielmehr diese Willfährigkeit verachten?“

Anders gesagt: Wer heute nicht gegen den Kapitalismus und seine Proponenten in Regierungen und Konzernen auftritt, die uns den Massenmord an täglich rund 100.000 Menschen infolge von Hunger und Armut als Sachzwang verkaufen, wird sich einst fragen lassen müssen, warum er oder sie mitgemacht hat.

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