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Diverse

Arschtritte

Berlusconi tritt formell, Ecuadors Präsident Lucio Gutierrez nach Massenprotesten tatsächlich zurück. Papa Bento, wie er auf Portugiesisch heißt (klingt wie Trinkschokolade) tritt dankenswerter Weise dazu an, die Restkatholen ratziputz aus der Kirche zu verjagen. Und ein österreichischer Bundesrat tritt wieder einmal in die Nazischeiße (Wehrmachtsdeserteure seien „Kameradenmörder“ und nach 1945 habe eine „brutale Naziverfolgung“ stattgefunden), aber er und seine Erziehungsberechtigten dürfen im Amt bleiben.

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Gefährliche Orte

Wenn hier über Gewalteskalationen in Rio berichtet wird erhalte ich manchmal besorgte Anfragen aus Österreich, wie man denn an so einem gefährlichen Ort leben könne.

In den vergangenen Tagen wurden in Österreich an drei verschiedenen Orten vier Menschen von jeweils mehreren bewaffneten Skinheads zum Teil krankenhausreif geschlagen. Eines der Opfer war ein Freund von mir, der Menschenrechtsaktivist Di-Tutu Bukasa. Gemeinsam ist allen vier, dass sie schwarz sind.

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Polizisten ermorden 30 Unschuldige

Im Norden Rios haben Polizisten am Donnerstag innerhalb einer Stunde 30 Menschen wahllos erschossen, weil sie sich dafür rächen wollten, dass acht ihrer Kollegen verhaftet worden sind. Sie sind in Bars reingegangen und haben gezielt alle Anwesenden per Kopfschuss ermordet, darunter fünf Jugendliche, die in einer Bar Videospiele gespielt haben. Der Jüngste war 13 Jahre alt.

Präsident Lula hat eine Woche Staatstrauer ausgerufen. Wegen dem Pabst.

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go.stop.act!

In der anarchistischen Trotzdem Verlagsgenossenschaft ist soeben das Buch go.stop.act! Die Kunst des kreativen Straßenprotests. Geschichten – Aktionen – Ideen erschienen, in dem politische AktivistInnen und KünstlerInnen Tipps zum Rebellieren geben.

Aus dem Inhaltsverzeichnis:

Carnival Against Capitalism – Karneval, Umzüge, Masken, verkehrte Welten
Laugh Parade – Öffentlich die Macht verlachen
Reclaim The Streets – Straßenparty kann auch Widerstand machen
Critical Mass – Wir sind der Verkehr
Theater machen! Politisches Straßentheater
Radical Puppetry – Wenn Figurentheater radikal wird
Radical Cheerleading – Akrobatik und subversives Reimen
Street Art – Symbolische Angriffe auf die Funktionalität der Stadt
Guerilla Gardening – Die Kunst wild anzupflanzen
Flash Mobs – Sinnbefreite Blitzperformances
Stolpersteine auf der Datenautobahn – Politischer Aktivismus im Internet

Zum Thema gibts auch zwei interessante Weblogs: kreativerstrassenprotest.twoday.net und kommunikationsguerilla.twoday.net.

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Warum ich im Moment keine Emails beantworte

Ueber der Strasse vor meinem Haus spinnt sich ein Netz aus Kabeln: Strom-, Telefon- und die Signalleitung der Strassenbahn sind unuebersichtlich ineinander verquirlt. Da ist es leicht, den Ueberblick zu verlieren.

Seit einigen Tagen telefoniert wer anderer auf meiner Leitung. Oder niemand. Ich jedenfalls nicht. Irgendein Techniker der brasilianischen Telefongesellschaft Telemar hat den Ueberblick im Kabelsalat verloren, und seitdem ist mein Telefon tot – und ebenso mein Internetzugang. Bloed, dass ich gerade jetzt dringend fuer ein Buchprojekt recherchieren muesste.

Mich wegen sowas zu stressen hab ich mir inzwischen abgewoehnt. Was mich aber wahnsinnig macht, ist die Macht, die so ein Telefonkonzern ueber meinen Alltag hat. Die lähmende Macht der Matrix. Zuerst ist die Hotline einen halben Tag besetzt. Dann kommuniziere ich zehn Minuten lang mit einer Maschine („wenn Sie ein Problem haben druecken Sie die 2, wenn Sie diese Frage noch einmal hoeren wollen druecken Sie die 3, wenn Sie nicht mehr koennen legen Sie einfach auf“). Dann befiehlt mir die automatische Stimme, von morgen 9h58 bis uebermorgen 9h58 zu Hause zu bleiben und auf den Techniker zu warten („wenn Sie wollen, dass der Techniker erst in drei Monaten kommt, bitte schoen, dann druecken Sie halt die 4“). Gegen Ende der brav zu Hause verbrachten Zeit (endlich wieder mal Buecher lesen, endlich wieder mal selber kochen!) kommt der Techniker, steht ratlos vor dem Kabelsalat, kratzt sich am Kopf und sagt, das koenne nur der loesen, der das da verbrochen hat. Der wuerde in einer Stunde kommen. Einen halben Tag spaeter krieg ich einen Anruf von der Telemar dass jetzt der Techniker kommt. Am nächsten Vormittag kommt tatsaechlich ein Techniker, steht ratlos vor dem Kabelsalat, kratzt sich am Kopf und sagt, das koenne nur der Supervisor loesen. Der wuerde vermutlich noch heute abend kommen. Das war gestern. Heute hab ich bei der Telemar mittels der Tastenkombination 3-3-4-7-1-3-5 („wenn Sie eine Frage haben, die nichts mit Ihrem Problem zu tun hat“) erstmals eine menschliche Stimme erreicht.

Ich bin grundsaetzlich dagegen, die Sklavinnen von Grosskonzernen zu beschimpfen. Aber manchmal kann ich nicht anders. Abgesehen davon, dass die Telefonsklavinnen wahrscheinlich eh Party haben, wenn ich auf Portugiesisch loslege. Ich sag dann Dinge wie „Und richten Sie dem gefickten Hurensohn von Geschaeftsfuehrer aus, dass ich ihm demnaechst in seinen Swimmingpool pisse“ oder „Die Scheissaktionaere der Telemar sollen mal sehen wie es ist bei Regen den Bus zu versaeumen“. Aber hallo! Nicht mit mir! Die nehmen das übrigens auf Tonband auf, bei der Telemar („wir weisen Sie darauf hin, dass wir Ihren Anruf aus Sicherheitsgründen aufnehmen“). Ich hätt davon gern ein Best of.

Inzwischen warte ich auf den technischen Supervisor und bitte um Verstaendnis, dass ich im Moment keine Emails beantworte.

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Weltsozialforum 2

Jetzt ist es tatsaechlich aus, und ich hab wieder mal fast nix mitgekriegt. Die Hitze ist moerderisch, aerger noch als in Rio. Es waren mehr Leute als 2003, und gewiss sind tausende Initiativen betreffs Weltverbesserung entstanden. Das ist gut so, nur hab ich wieder mal fast nix mitgekriegt, weil einfach alles viel zu schnell geht. José Saramago hat den Vorschlag fuer ein permanentes Weltsozialforum gemacht. Ob das das Gefuehl mindern wuerde, dauernd was zu versaeumen?

Gestern wurde Venezuelas Praesident Hugo Chávez frenetisch umjubelt. Nach der Enttaeuschung ueber die mangelnde Radikalitaet Lulas ist er der Star der lateinamerikanischen Linken, und er gefaellt sich in dieser Rolle. Der Mann ist allerdings tatsaechlich gut, macht unzaehlige pragmatische Vorschlaege (etwa fuer einen lateinamerikanischen Fernsehkanal als Gegengewicht zu den Konzernmedien) und hat ein gutes Gespuer fuer Zusammenhaenge. Und sein Auftreten ist wesentlich weniger machohaft als noch vor zwei Jahren.

Chávez hat es allerdings auch leichter als Lula: Die venezolanischen Erdoelreserven, von denen auch die USA abhaengen, geben ihm einen Handlungsspielraum, den er geschickt ausnuetzt, um soziale Fragen wie Landreform, Alphabetisierung und Gesundheitsversorgung voranzutreiben.

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Weltsozialforum

Das Schlimme an solchen Veranstaltungen ist meistens, dass sie schon wieder zu Ende sind, wenn ich grade bemerkt habe dass sie begonnen haben. Viel zu viele Leute, viel zu viel Vielfalt, viel zu wenig Zeit.

Rund 200.000 Menschen demonstrieren und diskutieren hier in Porto Alegre fuer (Freiheit, Vielfalt, Gleichberechtigung, Solidaritaet) und gegen (Imperialismus, Sexismus, Rassismus, Ausbeutung, Privatisierung) alles andereweltmoegliche. Auch Praesident Lula schneit vorbei, vor zwei Jahren wurde er hier noch umjubelt. Heute reagieren die ForumsteilnehmerInnen kuehl bis ablehnend. Sie werfen ihm vor, seine Ideale den neoliberalen Sachzwaengen untergeordnet zu haben.

Vielleicht muss man das, wenn man „an der Macht“ ist. Vielleicht waere es besser, dafuer zu kaempfen, dass niemand an der Macht ist. Veranstaltungen wie das Weltsozialforum sollen es ja ermoeglichen, dass sich jeder und jede selbst repraesentieren kann. Das gelingt nur teilweise. Auf den Diskussionspodien sprechen grossteils weisse Maenner des gutgebildeten Mittelstandes darueber, wie man Armut und Elend bekaempfen soll. Arme und Elende sprechen dort nicht, Frauen und Marginalisierte sind unterrepraesentiert.

Eine Freundin aus Rio, die in der Favela lebt, sagte gestern zu mir, frustriert: „Ich komm mir so dumm vor, weil hier so viele gescheite Leute so gescheite Sachen sagen. Aber wenn diese Leute dann vom Kampf reden moechte ich aufstehen und sie fragen, ob sie wissen was kaempfen heisst. Ich wuerde sie gerne fragen, warum sie uns nicht zuhoeren, wir wissen naemlich was kaempfen heisst, wir kaempfen jeden Tag ums Ueberleben.“

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Arbeit und Kapital

Hey Leute, lest diesen Telepolis-Artikel. Eine übersichtliche, leicht verständliche – und etwas andere – Analyse des herrschenden Wirtschaftssystems:

In der öffentlichen Debatte um die (2. Welt-)Wirtschaftskrise wird meist von Lohnnebenkosten, zu hohen Personalkosten und allgemein zu teurer Arbeit gesprochen. Tabuisiert wird eine Debatte um die andere Seite dieser Medaille: die Kapitalkosten und Kapitaleinkommen. Jene stellen nicht nur die eigentliche Ursache der Wirtschaftskrise dar, sondern manifestieren zugleich eine gesellschaftlich legitimierte Art der Sklaverei, indem die Arbeits- und damit Lebenszeit der großen Masse der Bevölkerung in einer ungerechtfertigten Form einer vergleichsweise kleinen, aber vermögenden Minderheit zukommt. (weiter…)

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Erzrivalen

Im aktuellen profil erscheint ein Artikel von mir über einen deutschen und einen österreichischen Rohstoffhändler, die in der Demokratischen Republik Kongo um Schürfrechte kämpfen – mit allen Mitteln.

Der Krieg im Kongo hat rund fünf Millionen Menschenleben gekostet und ist damit der größte Krieg der Welt seit 1945. Laut UNO ging es um illegale Rohstoffausbeutung. Der Krieg ist offiziell zu Ende, das Sterben geht weiter. Und die beiden Streithanseln kommen mir vor wie die zwei verfeindeten Häuptlinge in „Asterix und der große Graben“, die am Schluss allein am Schlachtfeld aufeinander eindreschen und nicht merken, dass alle schon alle heimgegangen sind und ihre Wunden lecken.

Ich hab die in der Story beschriebenen Beteiligten in Afrika persönlich erlebt – völlig durchgeknallte Typen, die allesamt von einer Mission beseelt sind. Und weil Geld scheffeln als Mission nicht so viel hermacht, geben sie ihre kolonialistische Ausbeutung halt als Menschenfreundlichkeit aus. Aber das war ja schon in früheren Kolonialzeiten so.

Umso besser, dass Kinshasa jetzt draufgekommen ist, dass die KongolesInnen ihre Rohstoffe eigentlich für sich selbst beanspruchen könnten.

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