Wie wir die Krise emotional meistern – und damit sogar unser Leben verbessern können
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Alles deutet darauf hin, dass die Coronakrise unsere Gesellschaft nicht nur in den nächsten Wochen, sondern weit darüber hinaus prägen wird. Deshalb habe ich mir Gedanken gemacht, wie wir uns auf emotionaler und sozialer Ebene für die zu erwartenden radikalen Änderungen in unserem Leben wappnen können.
Hier ein paar Anregungen dazu:
1. Akzeptiere dich und
andere – so wie ihr seid
Egal ob du jetzt mit deiner Partnerin oder deinem Partner, deiner Familie, deinen Mitbewohner*innen oder vielleicht sogar allein isoliert lebst: Glückwunsch! Das wird noch mehrere Wochen, vielleicht Monate so bleiben. Und es wird dich zu etwas zwingen, was du bisher möglicherweise vermieden hast – was dir aber weit über die Krise hinaus nützen kann: Dich und deine Mitmenschen so zu akzeptieren wie ihr seid. Denn wenn ihr einander nicht mehr ausweichen könnt, dann könnt ihr auch jenen in der Psychologie so genannten Persönlichkeitsanteilen nicht mehr ausweichen, die ihr an euch selbst oder anderen ablehnt oder die nicht so gerne sehen wollt.
Wir alle haben unterschiedliche innere Anteile, Charakterzüge, Identitäten. Das, was wir „ich“ nennen ist auch bei Menschen ohne psychische Erkrankungen keine homogene, permanente, in sich abgeschlossene Persönlichkeit. Ein Mensch, der von seiner Umwelt als friedlich eingeschätzt wird, kann zum Beispiel sehr aggressive Seiten haben. Er hat aber gelernt, sie zu verbergen, weil er die Erfahrung gemacht hat, damit nicht gut anzukommen. Jemand, der extrovertiert auftritt, kann sehr schüchtern und ängstlich sein, ein nach außen hin fröhlicher Mensch depressiv. Wir alle haben von Kindheit an internalisiert, welche unserer Persönlichkeitsanteile mit Zuneigung und gesellschaftlichem Erfolg belohnt werden – und welche wir glauben verbergen zu müssen.
Jetzt, wo wir gezwungen sind, tagaus tagein mit anderen und auch mit uns selbst 24 Stunden am Tag ohne Ausweichmöglicheiten zu verbringen, werden diese verdrängten Anteile sichtbar werden. Und wir werden merken, dass wir sie nicht einfach wegmachen können, indem wir mit diesen Anteilen in Konflikt gehen. Wir können sie nur zivilisieren, also erträglich machen, indem wir sie akzeptieren und den dahinterliegenden Bedürfnissen zugrunde gehen. Diese haben meist mit dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit, nach Akzeptanz und Geborgenheit zu tun, und indem wir diese Grundbedürfnisse sichtbar machen, können wir einen sozial verträglichen, liebe- und rücksichtsvollen Umgang damit lernen.
Wir werden lernen müssen, dass wir die Menschen, mit denen wir zusammenleben, nicht verändern können, indem wir bestimmte Charakterzüge die uns stören an ihnen ablehnen. Dasselbe gilt auch dir selbst gegenüber – immerhin bist du der einzige Mensch mit dem du wohl oder übel ein Leben lang zusammenleben musst! Erst wenn wir einander so nehmen wie wir sind können wir gemeinsam möglichst großzügige und liebevolle Verhaltenregeln für ein gutes Zusammenleben vereinbaren.
Und das ist etwas, was unsere Beziehungen auch über die Zeit der Pandemie hinaus erheblich verbessern kann. Der ideale Zeitpunkt, ein für alle mal damit aufzuhören deine*n Partner*in ständig aufzufordern, die Zahnpastatube zuzuschrauben oder nicht mehr neben dir zu furzen, ist jetzt!
2. Mit Humor durch die Krise
Musstest du beim letzten Satz lachen? Gut so. Lachen ist die beste Krisenbewältigungsstrategie. Wenn wir über Bedrohungen, Situationen und Ängste lachen können, verlieren sie emotional gesehen ihre Macht über uns. Wenn wir über uns selbst, über unsere Unzulänglichkeit und Lächerlichkeit, lachen können, haben wir uns als eben nun mal nicht perfekte Menschen akzeptiert und können auch die Unzulänglichkeit unserer Mitmenschen akzeptieren.
Außerdem schützt uns Humor auch physisch vor dem Virus. Die Gelotologie, also die medizinische Lachforschung, bestätigt, dass Lachen das Immunsystem und die Durchblutung verbessert. Schmerzpatient*innen würden nach wenigen Minuten Lachen stundenlange Erleichterung erfahrern. Außerdem wirkt Lachen gegen Stress, Verstopfung, Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit und fördert die Kreativität.
Um lachen zu können, muss
man übrigens nicht lustig sein. Es reicht, so zu sein wie man ist –
also inklusive der eigenen Idiotie, Bedürftigkeit und
Verletzlichkeit, dann gibt es genug zu lachen. Womit wir wieder bei
der Akzeptanz wären.
3. Akzeptiere die
Realität
Das Virus ist da. Es wird (Stand Ende März) voraussichtlich noch schlimmer. Die Einschränkungen werden noch länger dauern, die wirtschaftlichen und sozialen Folgen noch sehr sehr lange. Es werden noch mehr Menschen sterben, schlimmstenfalls auch solche die uns nahe stehen. Es ist besser, die Realität zu akzeptieren. Weil wir uns dann darauf vorbereiten und bestmöglich damit umgehen können.
Verluste, auch Krankheit und Tod, sind Teil unserer Existenz, mit oder ohne Corona. Wir sollten alles tun, um uns und unsere Mitmenschen vor existenziellen Verlusten zu schützen, also jedenfalls alle Hygiene- und Schutzmaßnahmen einhalten. Wir sollten uns aber gleichzeitig bewusst machen, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gibt. Je mehr wir akzeptieren, dass uns geliebte Menschen verlassen können – und das kann jederzeit passieren, mit oder ohne Corona – desto mehr werden wir darauf achten, dass sie bis dahin in jeder Sekunde unsere Liebe spüren. „Man liebt nicht wirklich, solange man nicht an den Tod denkt“, sagt der brasilianische Schriftsteller Nelson Rodrigues. Probier es aus. Denk an an die Möglichkeit, dass eine dir nahestehende Person morgen nicht mehr unter uns weilen könnte. Du wirst das dringende Bedürfnis verspüren, sie anzurufen und ihr zu sagen wie sehr du sie liebst. Tu es, jetzt gleich!
4. Pflege Beziehungen.
Wenn du meinst keine zu haben ist jetzt die ideale Zeit welche
aufzubauen.
Womit wir zum wichtigsten Punkt kommen. Viele von uns leben nicht erst seit der gesetzlichen Einschränkung der Bewegungsfreiheit isoliert. Menschen, die in Einsamkeit leben, Paare, die seit Jahren nicht mehr wirklich miteinander reden, Eltern, die im Alltagsstress keine Zeit für ihre Kinder haben, eine auf Konkurrenz und Ellbogentechnik getrimmte Gesellschaft, die Individualismus mit Freiheit verwechselt und den Gedanken an Solidarität, Freundschaft und Großzügigkeit vernachlässigt. In der Krise merken wir auf einmal, dass genau das – Solidarität, Freundschaft und Großzügigkeit – das Einzige ist was bleibt wenn sonst nichts mehr da ist.
Ich glaube wahrzunehmen, dass genau diese Werte momentan wieder zunehmen. Jüngere, die Einkäufe für ältere Nachbar*innen erledigen. Menschen, die beginnen uneigennützig zu teilen, zu helfen und Trost zu spenden. Lange nicht gesehene Bekannte und Freund*innen, die plötzlich anrufen und ehrlich wissen wollen wie es einem geht.
Wir sollten ihnen ehrliche
Antworten geben. Denn in der Krise macht es keinen Sinn mehr, uns zu
verstellen, nur um uns keine Blöße zu geben. Es macht keinen Sinn
mehr, unsere Verletzlichkeit nicht zu zeigen.
Verletzlichkeit, also die
Fähigkeit unsere Scham zu überwinden und die eigene Gefühlslage
auch dann zu zeigen wenn es mal nicht so rund läuft, ist nach
Recherchen der US-Autorin Brené Brown die Grundlage für
funktionierende Beziehungen aller Art. Wer ihren TED-Talk „Die
Kraft der Verletzlichkeit“ nicht kennt: Gibt’s
auf Youtube, anschauen!
Apropos Scham überwinden: Menschen, die einsam sind, schämen sich meist für ihre Einsamkeit – was es ihnen wiederum unmöglich macht, sie zu überwinden. Und natürlich leiden diese Menschen jetzt besonders unter der Isolation.
Wenn du so jemanden kennst: Ruf an! Und wenn du selbst so jemand bist? Mach dir bewusst, dass gerade alle mehr oder weniger in der Scheiße stecken. Es braucht sich also gerade wirklich niemand dafür genieren dass es ihm oder ihr schlecht geht. Und deshalb war die Chance, dass dein An- oder Hilferuf auf Verständnis oder sogar Willkommen trifft, nie größer als jetzt. Nütze sie, bevor die Krise vorbei ist und viele wieder in ihre individualistischen Alltagsmuster zurückfallen! Ruf dein Telefonverzeichnis durch, sprich – mit zwei Metern Entfernung – Fremde an! In dieser Krise können Freundschaften und Beziehungen entstehen, denen du im sogenannten Normalzustand nie eine Chance gegeben hättest. Und sie werden vielleicht sogar glücklicher und nachhaltiger sein, denn sie sind bereits krisenerprobt.
5. Entwickle Mitgefühl
Ein wesentlicher Faktor für das Funktionieren von Beziehungen welcher Art auch immer ist Mitgefühl. Nicht zu verwechseln mit Mitleid! Mitgefühl bedeutet die Bereitschaft, Empfindungen anderer nachzuempfinden. Es bedeutet NICHT sie zu bewerten, es bedeutet auch nicht, dass ich die Probleme der betreffenden Person lösen muss und vor allem nicht, dass ich ihr ungebetene Ratschläge geben soll. Mitgefühl ist eng mit Akzeptanz verknüpft: Ich sehe wie es dir geht, und es macht was mit mir.
Mitgefühl beginnt mit dem Mitgefühl mit dir selbst. Nur wenn ich mich und meine Bedürfnisse sehe und akzeptiere, kann ich auch andere und ihre Bedürfnisse sehen und akzeptieren. Und dadurch entsteht Verbindung, Verbundenheit, Beziehung. Bedürfnisse sehen und akzeptieren bedeutet übrigens nicht, sie erfüllen zu müssen. Häufig kann oder will ich ein Bedürfnis nicht erfüllen, ich muss es dafür aber nicht verurteilen.
Leider haben wir gelernt, uns und andere dauernd zu beurteilen oder zu bewerten. Weil wir selbst, seit frühester Kindheit an, immer wieder bewertet werden. Ich rate Klient*innen, die darunter leiden, sich oder anderen gegenüber immer zu kritisch zu sein, zunächst mal nur eine Bewertung zu treffen: „Interessant“. Fortgeschrittene dürfen dann noch eine zweite Bewertung zum Einsatz bringen: „Lustig“. Probier das mal in einer Situation aus, in der du dich über deine Mitbewohner*innen ärgerst (zur Erinnerung: ihr seid jetzt wochenlang 24/7 miteinander eingesperrt)! Du wirst bald merken, wie viel Energie du mit dieser dauernden Bewertungsmanie vergeudest und wie viel Mitgefühl entsteht wenn du damit aufhörst.
Oder mach folgende Übung mit deinen Mitbewohner*innen: Stellt euch zu zweit gegenüber und legt eine angenehme Musik auf die zwei bis drei Minuten dauert. Während dieser Zeit sagt jeweils eine Person der anderen alles was er oder sie liebt. Alles, was euch einfällt, ohne Nachdenken und Selbstzensur. Frühling, Sonne, meine Mama, Apfelstrudel, und so weiter. Die andere Person darf das niemals kommentieren oder weitererzählen. Dann wechselt ihr. Und danach macht ihr das Gleiche mit allem was ihr überhaupt nicht mögt. Es werden euch dabei Dinge einfallen, die ihr noch nie jemandem gesagt habt, Dinge, die euch peinlich sind, existenzielle Dinge oder ganz banale. Und ihr werdet ebensolche Dinge hören. Und ihr werdet, egal ob diese ähnlich oder ganz unterschiedlich sind, merken: Ihr seid nicht allein. Wir sind nicht allein! Wir sind in dieser Krise nicht allein und wenn wir sie zu nützen wissen, werden wir auch nachher nicht mehr allein sein.
6. Raus aus der
Negativspirale!
Und wenn es kracht? Wenn euch aufgrund des erzwungen Zusammenlebens der Lagerkoller erwischt? Wenn dir die Nähe deiner Mitbewohner*innen die Atemluft raubt? Wenn das mit der Akzeptanz zwar schöne Theorie ist, aber gerade Hassgefühle hochkommen?
Aus der Konfliktforschung wissen wir, dass wir aus Eskalationen so früh wie möglich aussteigen sollen, weil die höheren Eskalationsstufen immer schwerer zu verlassen sind. Versuch das, möglichst schnell, auch wenn glaubst im Recht zu sein. Ihr braucht eure für Streitereien verschwendeten Energien jetzt dringender, und ihr seid aufeinander angewiesener als bisher.
Eine Eskalationsstufe muss in jedem Fall tabu bleiben: Die der Gewalt. Wenn dir solche angetan wird, mach unmissverständlich klar, dass du Gewalt unter keinen Umständen tolerierst. Hol dir Hilfe, welcher Art auch immer. Bleib mit Gewalterfahrungen nicht allein! Und schreite ein, wenn du den Verdacht hast, dass anderen Gewalt angetan wird.
Sprich über deine Bedürfnisse und Ängste. Übe dich in Verletzlichkeit. Übe dich in Verzeihung. Verzeihe Fehler! Auch dir selbst! Lobe, mehrmals täglich, auch dich selbst! Bedanke dich, mehrmals täglich, auch bei dir selbst! Sei dankbar, dass du am Leben bist.
Und was, wenn euch die Ängste und der pessimistische Umgang deiner Nächsten mit der Krise belasten? Versuche, empathisch damit umzugehen, also zu zeigen dass du sie nachempfinden kannst, aber lass sie dir nicht überstülpen. Grenze dich unter Hinweis auf deine eigenen Bedürfnisse ab, ohne die Bedürfnisse des Gegenübers schlechtzureden. Die kanadische Clownlehrerin Sue Morrison sagt dazu: „Stülpe nie anderen deinen Dreck über. Und lass nie zu, dass andere dir ihren Dreck überstülpen!“
Dasselbe gilt für den Umgang mit Medien aller Art. Wenn wir jeden Dreck auf Facebook lesen, aber auch wenn wir rund um die Uhr katastrophale Nachrichten über Corona konsumieren, werden wir uns bald wie Dreck fühlen und von Angst und Verunsicherung überwältigt.
7. Freunde dich mit deiner Angst an
Das heißt übrigens nicht, dass wir unsere Angst unterdrücken sollen. Sie ist nämlich höchst nützlich – sie hilft uns dabei, vorsichtig zu sein und uns zu schützen. Ohne sie würden wir unsinnige Gefahren eingehen. Sie soll uns nur nicht lähmen. Damit sie uns nicht lähmt, müssen wir ihre Schutzfunkton anerkennen sie als freundschaftliche Begleiterin akzeptieren: Wenn du dich von deinen Ängsten überwältigt fühlst, sprich über sie. Du kannst auch MIT ihnen sprechen: Gib ihnen Kosenamen, verkörpere sie mit einem Stofftier, zähme sie, dann verlieren sie ihren Schrecken.
8. Genieß das Leben
„Selbst wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch mit Freuden ein Apfelbäumchen pflanzen“, soll Martin Luther gesagt haben. Der Spruch stammt zwar wahrscheinlich nicht von ihm, dennoch: Wer sagt, dass man nicht auch den Ausnahmezustand genießen kann? Etwa die Tatsache, dass ihr jetzt möglicherweise mehr Zeit mit- und füreinander habt. Die Tatsache, dass ihr diese Zeit nicht mehr mit Konsumieren, sondern mit Müßiggang und anderen sinnstiftenden Tätigkeiten verbringen könnt. Oder die Tatsache, dass die Einschränkungen durch die Krise dazu geführt haben, dass sich vielerorts die Umwelt erholt hat und die Luft sauberer geworden ist.
Apropos: Geh so viel wie möglich in die Natur – zumindest solange das (hoffentlich) erlaubt bleibt. Das ist das beste Mittel gegen den Lagerkoller zuhause. Ernähre dich jetzt besonders gut und gesund, mach jetzt besonders regelmäßig Bewegung. Viele kleine Studios bieten jetzt online Yoga- und Fitnessstunden an, das ist auch eine Möglichkeit miteinander in Kontakt zu kommen.
All das stärkt nicht nur deine körperliche Widerstandskraft, sondern auch dein geistiges Wohlbefinden und deine Resilienz, also die Fähigkeit, herausfordernde Situationen emotional unbeschadet zu überstehen. Falls du ohnehin schon immer zu rauchen aufhören wolltest: Warum nicht jetzt? Ich weiß, viele sehen Rauchen als Mittel zur Krisenbewältigung, aber es ist auch einer der gravierendsten Faktoren für die vom Virus ausgelösten Lungenerkrankungen. Und wer schon mal den Versuch gestartet hat und rückfällig wurde weiß, dass das häufig im geselligen Beisammensein mit anderen Raucher*innen passiert. Das fällt jetzt mal für längere Zeit flach, also nütze diese Zeit!
Teile. Alles wovon du jetzt vielleicht merkst dass du es ohnehin im Überfluss hast: Expertise, Zeit, Geld, Essensvorräte, Sorgen, Ängste, Freude, Glück, Ideen. Je mehr du teilst, desto mehr wirst du Genuss daran finden.
Nütze diese Zeit überhaupt so gut wie möglich für Dinge die dir Spaß machen. Vielleicht gelingt es dir gerade jetzt, wo vieles wegbricht, dir mehr davon zu erlauben. Nütze sie, um zu erkennen was dir wichtig ist. Stell dir die Wunderfrage: Nimm ein Datum in der Zukunft, zum Beispiel in einem Jahr. Stell dir vor, du wachst an diesem Tag auf und merkst, dass alles gut ist, privat und beruflich. Woran merkst du das? Wie fühlt sich das an? Was hat sich geändert? Und was kannst du heute, in den nächsten Wochen und Monaten selbst dazu beitragen, damit dieses „Wunder“ in einem Jahr Wirklichkeit wird?
9. Übernimm Verantwortung
Wir sind voneinander abhängig, wir stehen alle miteinander in Verbindung, und zwar weltweit. Kaum je zuvor wurde das so vielen Menschen bewusst wie durch – oder soll ich sagen: dank? – dieser Krise. Das Virus überwindet nationalstaatliche Grenzen, es befällt Reiche und Arme, auch wenn die Folgen davon Letztere wieder einmal härter treffen. Wenn wir füreinander nicht Verantwortung übernehmen kann das böse Folgen haben, das erleben wir derzeit täglich. Bei anderen Krisen – etwa der Flüchtlings- oder der Klimakrise – gelingt es immer noch vielen Menschen, das Leid anderer oder die drohende Katastrophe zu ignorieren. Das haben bei Corona zu Beginn auch viele versucht – die drastischen Folgen davon haben wir nun innerhalb weniger Tage und Wochen zu spüren bekommen.
Die rasante Verbreitung des Virus ist auch eine Folge der Globalisierung des Kapitalismus, der weltweit Profite auf Kosten von Mensch und Umwelt macht. Der teilweise Zusammenbruch der öffentlichen Gesundheitsversorgung und die drohende Wirtschaftskrise zeigt, dass die neoliberale Auflösung sozialstaatlicher Infrastruktur nicht krisenfest ist. All das spricht für eine radikale und demokratische, am Gemeinwohl und dem Schutz der Umwelt orientierte Transformation von Politik und Wirtschaft.
Das Symbol des kapitalistischen Wirtschaftsmodells der Konzerne ist die Konsumgesellschaft, also der hamsterradartige Kreislauf aus Konsum und Lohnarbeit mit Milliardenprofiten auf der einen Seite und Ausbeutung, Elend und Umweltzerstörung auf der anderen. Ins Getriebe dieses Hamsterrades hat das Virus gerade sehr viel Sand geworfen, sichtbar gemacht durch geschlossene Büros und Geschäfte und leergefegte Einkaufsstraßen.
Eine Folge davon ist der Verlust von Arbeitsplätzen und Einkommen, und auch die wirtschaftsliberalsten Politiker*innen merken, dass der drohenden Massenarmut nur durch staatliche Hilfe Einhalt geboten werden kann. Eine weitere Folge ist weniger unangenehm: Umwelt und Klima profitieren in den betroffenen Regionen bereits messbar von der Krise. In China zeigen Luftaufnahmen eine Abnahme des CO2-Ausstoßes um gigantische 25 Prozent. Professor Marshall Burke von der Standford-University hat eine Studie vorgelegt, der zufolge durch den Rückgang der Emissionen weit mehr Menschenleben gerettet wurden als dem Coronavirus zum Opfer gefallen sind.
Kann die Krise vielleicht gar dazu beitragen, das Weltklima zu retten und Menschheit insgesamt zu mehr Demokratie, ökologischer Rücksichtnahme und Gerechtigkeit nötigen? Darauf zu hoffen, dass das ein Virus für uns erledigt, würde bedeuten, den Tod von Abertausenden Menschen in Kauf zu nehmen. Nein, das sollten wir schon selbst in die Hand nehmen und Corona allenfalls als Wink mit dem Zaunpfahl verstehen.
Dafür sollten wir nie wieder vergessen, was diese Krise sichtbar macht: Dass wir alle voneinander abhängig und miteinander verbunden sind. Und die Konsequenzen daraus ziehen, auf persönlicher ebenso wie auf gesellschaftlicher und politischer Ebene. Also ab sofort Verantwortung über- und Einfluss darauf nehmen, unser persönliches Umfeld und die Welt solidarischer, gerechter und respektvoller zu gestalten.
10. Entspann dich. Am besten durch Meditation.
Die Angst, das erzwungene
(zusammen) Leben auf engem Raum mit all seinen potenziellen Folgen
wie Einsamkeit, Streit oder Langeweile, die möglicherweise bereits
prekäre wirtschaftliche Situation – all das setzt uns unter
Stress. Und Stress wiederum erschwert es uns, diese Herausforderungen
erfolgreich zu meistern.
Es gibt eine sehr
einfache, sehr gesunde, sehr effiziente und sehr billige Methode, von
diesem Stress quasi Urlaub zu nehmen und sich zunächst kurzfristig,
auf Dauer aber sehr nachhaltig zu entspannen. Und das ist Meditation.
Ich möchte euch hier zum Abschluss eine sehr leicht zu erlernende Methode vorstellen, die vor allem ein Ziel hat: Dass es euch gut geht. Sie besteht im Wesentlichen darin, dass man sich eine zeitlang hinsetzt und Urlaub von allem nimmt. Von allem, also von Gedanken, Sorgen und Ängsten, den schlechten Nachrichten, den nervigen Mitbewohner*innen, den Pflichten des Alltags, ja sogar Urlaub von euch selbst.
Was das bringt? Naja, was eben Urlaub bringt: Zunächst mal Entspannung und Erholung. Vielleicht neue Erfahrungen, Erlebnisse und Erkenntnisse. Gesundheit für Körper und Geist. Und häufig mehr Geduld und Klarheit im Umgang mit Konflikten und Herausforderungen. Was es dafür braucht ist eigentlich nichts außer einem dickeren, festen Polster (oder Stuhl für Menschen mit Rückenproblemen) und ein bisschen Disziplin.
Setz dich nun aufrechter Wirbelsäule möglichst bequem hin (am Kissen vorzugsweise im Schneidersitz), leg die Hände auf die Oberschenkel, die Augen schauen halb geöffnet ungefähr einen Meter vor dir auf den Boden. Stell dir eine Stoppuhr oder lade dir z.B. die App Meditation Time runter, für den Anfang empfehle ich 15 Minuten.
Dann entspannst du deinen Körper, und zwar schrittweise von oben bis unten. Entspannen heißt: spüren, wie die Spannung weicht, mehr brauchst du dafür nicht zu tun. Also: Spür, wie die Spannung aus deinem Scheitel weicht. Dann aus der Stirn. Den Augen. Nasenflügeln. Ohren. Wangen. Lippen. Kiefer. Zunge. Hinterkopf. Nacken, Hals. Aus der linken Schulter, und wie die mit der Schwerkraft etwas nach unten sinkt. Linker Oberarm, Unterarm, Hand. Rechte Schulter usw., Brust, Bauch, Beckenboden, Rücken, Beine, Füße. Und das ganze nochmal zurück bis zum Scheitel. Ab jetzt konzentrierst du dich nur noch auf deinen Atem. Das heißt: Du beobachtest dich selbst beim Einatmen und Ausatmen. Ein. Aus. Die ganze Zeit.
Spätestens jetzt wird dein Geist wie Maschinengewehrfeuer mit Gedanken beschossen werden. Kein Problem. Versuch, sie vorbeiziehen zu lassen, ihnen nicht nachzuhängen. Wenn du dich beim Denken erwischt: Kein Problem. Komm zurück zum Atem. Wenn du Schmerzen spürst: Nimm sie einfach wahr, kommt zurück zum Atem. Wenn sie unerträglich werden: Steh kurz auf und setz dich wieder hin. Alles geht irgendwann vorbei (die Krise übrigens auch). Beobachte nur und versuche, nicht zu beurteilen.
Zu Beginn wird dir das – vor allem das Nicht-den-Gedanken-nachhängen, möglicherweise auch das Sitzen – schwer fallen. Vielleicht sogar sehr schwer.
Meine Empfehlung dazu: Akzeptiere das. Du lernst, die Realität zu akzeptieren. Und: Es geht vorbei. Überfordere dich nicht. Meditiere zu Beginn lieber nicht zu lange und dafür regelmäßig. Zum Beispiel: Fünfmal die Woche je eine Viertelstunde. Dann wirst du bald einen Effekt spüren und möglicherweise Lust auf mehr kriegen. Wie gesagt: Das ist Urlaub. Und er ist gratis, und so viele andere Möglichkeiten auf Urlaub hast du eh derzeit nicht.
Am Ende wird alles gut.
Und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende.
Psychologischen Studien zufolge brauchen wir rund acht Wochen, damit eine Veränderung unseres Alltags zur Routine wird. Wenn ihr acht Wochen meditiert wollt ihr wahrscheinlich nicht mehr aufhören. Wenn wir die nächsten acht oder mehr Wochen nützen, um Akzeptanz, Mitgefühl, Humor, Großzügigkeit, Verantwortung und all das andere lernen, wozu uns diese Krise zwingt, dann werden wir sie irgendwann – hoffentlich – nicht nur überstanden, sondern unser eigenes und das Leben unserer Mitmenschen sogar verbessert haben.
Wir sind nicht alleine. Wir können helfen und um Hilfe bitten. Wir lernen jetzt zu teilen, zu hoffen, aufeinander zu schauen, Rücksicht zu nehmen. Es bleibt uns gerade gar nichts anderes übrig. Die Zukunft beginnt jetzt.
Als systemischer Coach und psychologischer Berater begleite ich Einzelpersonen, Paare und Organisationen in Veränderungsprozessen, Krisen und bei der Persönlichkeitsentwicklung. Aufgrund der aktuellen Situation werden Beratungen per Zoom, Skype o.ä. durchgeführt. Mehr dazu hier.
Bei Interesse bitte um Terminvereinbarung per Email oder Telefon +43 664 2537755
Für Menschen in finanzieller Notsituation führe ich während der Coronakrise zeitlich begrenzt Gratisberatungen durch. Die Terminvergabe dafür erfolgt ausschließlich online.