Hier der zweite Punkt der letzten Frage für ichkandidiere.at der Wiener Grünen:
Was ist deine ungewöhnlichste/innovativste Idee die Herausforderungen zu bewältigen?
- Partizipatives Budget nach Vorbild von Porto Alegre & Sevilla
- Aufbau einer „Akademie für gute Nachbarschaft“ f. Verbindungsleute und Anlaufstellen (Beisln, Jugend- & Kulturzentren, HausmeisterInnen, Initiativen etc.) im Grätzel
- Open Government: Freier Zugang zu behördl. Entscheidungsprozessen & Wissen
- Fairer & ökologischer Handel, Produkttransparenz für öffentl. und privaten Konsum
Mein persönliches Motto für den Grünen Wahlkampf lautet „Auf gute Nachbarschaft!“. NachbarInnen muss man nicht mögen, aber man grüßt sich am Gang, nimmt Rücksicht auf unterschiedliche Bedürfnisse und Eigenheiten, bittet höflich die Musik etwas leiser (oder lauter?) zu drehen, kommt solchen Bitten im Regelfall nach, entschuldigt sich im Ausnahmefall fürs Nicht-Nachkommen mit kleinen Aufmerksamkeiten, kommt hin und wieder auf einen Kaffeeplausch vorbei und fragt nach Ladenschluss um Essig und Öl oder ob ein paar Stunden Aufpassen auf die Kleinen/den Hund/die Katze möglich wären. So ist das, oder? Bei mir im Haus ist das Meiste davon nicht die Regel, aber wär’s nicht irgendwie schön, wenn wir miteinander in dieser Stadt so etwas wie guten nachbarschaftlichen Umgang miteinander pflegen könnten? Dafür muss man sich, wie gesagt, nicht mögen, aber es braucht so etwas wie ein Mindestmaß an gegenseitigem Respekt und die Bereitschaft, sich auch mal freundlich, aber bestimmt zu sagen, was eine/n stört.
Ich würde diesen gut nachbarschaftlichen Umgang gerne dem autoritären Modell der SPÖ entgegensetzen, wo sich alle an eine von oben definierte Hausordnung halten sollen, bei der sie nicht mitreden dürfen. Und erst recht dem Aufeinanderhetzen der einzelnen Hausparteien durch die Rechten. Der Vorteil liegt auf der Hand: Wer miteinander ins Reden kommt, baut Vorurteile gegenüber unterschiedlichen Lebensweisen, Herkünften, Kulturen etc. ab. Wer aufeinander schaut, verhindert damit Kriminalität, Übergriffe und Diskriminierung meist erfolgreicher als das Polizei und Überwachungskameras je könnten. Wer mitentscheiden kann, kann damit leben wenn sich mal andere Interessen durchsetzen.
Was aber kann die Politik abseits moralischer Appelle für eine solche „gute Nachbarschaft“ tun? Ich finde die kürzlich von SPÖ-Stadträtin Frauenberger ins Leben gerufenen Bassenagespräche ja keine schlechte Idee. Sechs solche Events in einem Jahr werden allerdings nicht reichen um die gravierenden Versäumnisse und das Kaputtsparen nahezu aller Integrationsmaßnahmen und -initativen der letzten Jahre auszugleichen. Nachhaltiger sind da schon Projekte im Rahmen der Lokalen Agenda 21, wie sie zum Beispiel der Grün regierte 7. Bezirk im Rahmen der Agenda Wien Sieben gemeinsam mit dem Ökologie-Institut durchgeführt hat – allerdings sehr auf den Umweltbereich konzentriert.
In meinem Grätzel – dem Karmeliterviertel – ist mir aufgefallen, dass es viele bestehende Strukturen gibt, die sowas wie gute Nachbarschaft fördern: Der Karmelitermarkt mit den Beisln rundherum, die Initative zur Rettung des Augartenspitzes, die Anlaufstelle der Flüchtlingshelferin Ute Bock oder das Café Sperlhof, wo ein Herr Sommer sich sowohl bei migrantischen Jugendlichen als auch beim alteingesessenen Schachklub Respekt füreinander ausbedingt. Und so weiter. Viele dieser Strukturen funktionieren gut, bräuchten aber häufig mehr Unterstützung: Durch Öffentlichkeit, Infrastruktur, Fürsprache, Infos, Wertschätzung, Vernetzung oder schlicht und einfach Geld.
Ich würde aber dem gerne noch eins draufsetzen: Warum nicht eine „Akademie für gute Nachbarschaft“ gründen, die solchen Strukturen ebenso wie LehrerInnen, HausmeisterInnen, NGOs oder überhaupt allen, die das wollen, sowas wie eine Ausbildung für gutes Zusammenleben anbietet? Also Fächer wie Interkulturelle Kompetenz, Sensibilisierung für Rassismus, Sexismus, Homophobie etc., Sicherheit, Selbstverteidigung, Erziehung, Gesundheit, Umweltschutz, Barrierefreiheit, Ethik, Grundrechte, Deutsch, Türkisch, Kroatisch und so weiter und so fort. Man kann das für Spintisiererei halten, aber manchmal entstehen aus Spinitisierereien konkrete und umsetzbare Ideen. Fühlt euch eingeladen, mit mir weiterzuspintisieren!