Das Schlimme an solchen Veranstaltungen ist meistens, dass sie schon wieder zu Ende sind, wenn ich grade bemerkt habe dass sie begonnen haben. Viel zu viele Leute, viel zu viel Vielfalt, viel zu wenig Zeit.
Rund 200.000 Menschen demonstrieren und diskutieren hier in Porto Alegre fuer (Freiheit, Vielfalt, Gleichberechtigung, Solidaritaet) und gegen (Imperialismus, Sexismus, Rassismus, Ausbeutung, Privatisierung) alles andereweltmoegliche. Auch Praesident Lula schneit vorbei, vor zwei Jahren wurde er hier noch umjubelt. Heute reagieren die ForumsteilnehmerInnen kuehl bis ablehnend. Sie werfen ihm vor, seine Ideale den neoliberalen Sachzwaengen untergeordnet zu haben.
Vielleicht muss man das, wenn man „an der Macht“ ist. Vielleicht waere es besser, dafuer zu kaempfen, dass niemand an der Macht ist. Veranstaltungen wie das Weltsozialforum sollen es ja ermoeglichen, dass sich jeder und jede selbst repraesentieren kann. Das gelingt nur teilweise. Auf den Diskussionspodien sprechen grossteils weisse Maenner des gutgebildeten Mittelstandes darueber, wie man Armut und Elend bekaempfen soll. Arme und Elende sprechen dort nicht, Frauen und Marginalisierte sind unterrepraesentiert.
Eine Freundin aus Rio, die in der Favela lebt, sagte gestern zu mir, frustriert: „Ich komm mir so dumm vor, weil hier so viele gescheite Leute so gescheite Sachen sagen. Aber wenn diese Leute dann vom Kampf reden moechte ich aufstehen und sie fragen, ob sie wissen was kaempfen heisst. Ich wuerde sie gerne fragen, warum sie uns nicht zuhoeren, wir wissen naemlich was kaempfen heisst, wir kaempfen jeden Tag ums Ueberleben.“