Hier mein heutiger Gastkommentar auf derstandard.at
Die vielgescholtenen Krawallmacher sorgen dafür, dass Neonazis und Rechtsextreme keinen Fuß auf die Straße kriegen
Sympathieträger sind sie keine. Sie provozieren, haben eine offenbar kindische Lust am Krawallmachen und unternehmen nicht den geringsten Versuch dessen, was man gesellschaftliche Anschlussfähigkeit nennt. Sie sind undifferenziert in ihrer Wut auf „das kapitalistische Scheißsystem“ und aggressiv in Sprache und Auftreten. Wenn sie auf Demonstrationen schwarz gekleidet und vermummt aufmarschieren, pöbeln und manchmal sogar mit Gegenständen auf Polizei und Schaufensterscheiben werfen, suchen friedliche Demonstrantinnen und Demonstranten das Weite. Die wiederum reagieren zu Recht verärgert darüber, wenn ihr gewaltfreier Protest durch ein paar wildgewordene Rowdys delegitimiert wird.
Ohne Antifa?
Aber mal ehrlich, wo wären wir heute ohne die Antifa? Als am Montag rund 350 Pegida-Wutbürgerinnen und -Wutbürger – darunter zahlreiche Hooligans und handfeste Neonazis – Wiens Straßen erobern wollten, gegen Migrantinnen und Migranten, Musliminnen und Muslime hetzten, die Hand zum Hitlergruß erhoben und Bürgerinnen und Bürger tätlich angriffen – wer hat sich ihnen entgegengestellt?
Die Neonazis verletzten das Verbotsgesetz unter tolerierender Beobachtung durch die Wiener Polizei, die nicht eingreifen wollte, „um eine mögliche Eskalation zu vermeiden“. Gehindert wurden sie in ihrem Ansinnen, den öffentlichen Raum zu besetzen, durch die Antifa. Durch Menschen, die unmissverständlich und undifferenziert klarmachten: Faschismus kriegt in dieser Stadt keinen Fuß auf die Straße. Pegida ist in Österreich eine Totgeburt – wegen ihrer Proponentinnen und Proponenten, aber auch weil Neonazitruppen in Österreich jederzeit mit dem handgreiflichen Widerstand durch die linke und linksradikale Szene rechnen müssen.
Aufrufe zur Distanzierung
Als heuer im Vorfeld des Akademikerballs Vertreter des antifaschistischen NoWKR-Bündnisses gelinde gesagt pubertär ankündigten, die Burschenschafter „nicht mit Samthandschuhen anfassen“ zu wollen, hagelte es sofort auch von linksliberaler Seite Distanzierungsaufrufe – und in der Folge ein polizeiliches Verbot der NoWKR-Demo samt Ankündigung einer Anzeige wegen des rechtsstaatlich bedenklichen „Mafiaparagrafen“ 278 („Bildung einer kriminellen Vereinigung“). Wer als guter Bürger heutzutage auf sich hält, distanziert sich auch von Dingen, mit denen er oder sie im Grunde genommen nichts zu tun hat – und fordert andere dazu auf, dies ebenso zu tun: Friedliebende Musliminnen und Muslime sollen sich von Terroristen und Jihadisten distanzieren, pazifistische Antifaschistinnen und Antifaschisten vom sogenannten „Schwarzen Block“. Während FPÖ-Funktionäre weiterhin lustig neofaschistische Codes und Werbung für Pegida-Nazis auf ihren Facebook-Seiten posten und der rechte Tanz in der Hofburg als „demokratisches Recht“ postuliert wird.
WKR-Ball auf politische Agenda gebracht
Zum Glück sind die heurigen Demonstrationen gegen den Akademikerball – von der Initiative „Jetzt Zeichen setzen“ bis zu den Aufmärschen rund um die Innenstadt – weitestgehend friktionsfrei verlaufen. Dazu trugen tausende friedliche Demonstrantinnen und Demonstranten, zivilgesellschaftliche Bündnisse und eine größtenteils deeskalierende Polizeistrategie bei. Aber wer hat den antifaschistischen Widerstand überhaupt erst auf die politische Agenda gebracht? Wer hat sich als Erstes gegen den seit Jahrzehnten stattfindenden WKR-Ball als Vernetzungstreffen der rechtsextremen Eliten gestellt, als noch niemand davon Notiz nahm? Es war die Antifa.
Akt der Zivilcourage
Und wer schützt unser demokratisches Gemeinwesen davor, dass neofaschistische und rechtsextreme Gruppierungen in Fußgängerzonen oder vor Schulen ihre rassistische und antidemokratische Propaganda verbreiten? Dass unsere Jugend mit geschichtsrevisionistischem „Infomaterial“ versorgt und im öffentlichen Raum auf Minderheiten gehetzt wird? Die Polizei, das wissen wir spätestens seit Pegida, tut es offenkundig nicht in ausreichendem Maße. Es ist die Antifa, die dafür sorgt, dass rechtsextreme Umtriebe im öffentlichen Raum mit Widerstand rechnen müssen. Ihre Proponentinnen und Proponenten nehmen dafür persönliche Verfolgung und öffentliche Denunzierung in Kauf. Gewalttaten in jeder Form bleiben immer abzulehnen, Blockadeaktionen gegen faschistische und rassistische Übergriffe sollten aber als Akt der Zivilcourage Anerkennung finden.
Die Aufgabe der Politik, der Medien, der Exekutive, der demokratischen Kräfte sollte darin liegen, eine tatsächlich gewaltfreie Gesellschaft zu ermöglichen, die jedem Menschen unabhängig von Herkunft, Religion und Lebensweise Freiheit, Sicherheit und Lebensperspektiven garantiert. Aber wir sollten uns auch bei all jenen bedanken, die sich jenen entgegenstellen, die unsere Freiheit, unsere Sicherheit und unsere Demokratie bedrohen wollen. Weil sie das tun und weil sie es mit „kein Fußbreit dem Faschismus“ ernst meinen, stehe ich nicht an zu sagen: Danke, Antifa!