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Welt am Sonntag: „Im Kongo droht ein neuer Bürgerkrieg“

(Kinshasa) „Sagt mir Amen!“ brüllt der Pastor ins Mikro. Der Saal tobt: „Amen!“ – „Sagt mir noch einmal Amen!“ Der Pastor verdreht die Augen, Schweißperlen tropfen ihm von der Stirn. Seit zwei Stunden predigt der schmächtige Mann wie um sein Leben. Er tobt, schreit, kreischt, windet sich, schneidet Grimassen, flüstert und lacht als gelte es, alle Charaktere Shakespeares in einer einzigen Rolle zu verkörpern. Doch Pastor Kindwe spielt nicht. Er ist ein Apostel Jesu, und sein Job ist es, die Gläubigen vor den Anhängern Satans zu warnen: den Huren und Homosexuellen, aber vor allem vor den Ruandern und – den Amerikanern.

Die Ruander zu hassen ist in der Demokratischen Republik Kongo so etwas wie eine patriotische Pflicht. Denn seit August 1998 okkupiert die Armee des kleinen Ruanda den gesamten Osten des Riesenlandes im Herzen Afrikas und unterstützt dabei die RCD-Rebellen. Ausgebildet wurden die ruandischen Militärs von US-Offizieren. Und weil die USA den Erzfeind noch immer unterstützen, werden auch sie im Kongo gehasst. Nachdem in der Nacht zum Samstag die zwei Monate dauernden Verhandlungen zwischen den beiden Rebellenorganisationen RCD und MLC und der Regierung ergebnislos auf unbestimmte Zeit vertagt worden waren, dürfte der blutige Bürgerkrieg wieder aufflammen. Rund drei Millionen Menschenleben hat er bis jetzt gekostet.

Modeste Mutinga, Chefredakteur der unabhängigen Tageszeitung „Le Potentiel“, kann den weit verbreiteten Antiamerikanismus verstehen, da der Krieg Ruandas trotz eindeutiger Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates von den USA noch immer unterstützt werde. Dieselbe Position vertritt auch ein ranghoher UN-Vertreter in Kinshasa: „Wenn die USA wollen, dann ist der Krieg hier in einer Woche zu Ende.“

Auch Kinshasa, die Hauptstadt im äußersten Westen des Landes, ist davon betroffen, obwohl die Front tausende Kilometer entfernt ist: Die Flüchtlingsströme haben die Metropole auf geschätzte zehn Millionen Einwohner anwachsen lassen, und mit den Massen wuchs das Elend. Wellblechsiedlungen ziehen sich über Hügel und Täler. Dieser hungernde Moloch ohne jede urbane Infrastruktur ist ein fruchtbarer Boden für die mit messianischem Eifer agierenden Auferweckungskirchen, die von Leuten wie Pastor Kindwe in Eigenregie gegründet werden, wie man andernorts Firmen gründet. Zehn Prozent des Einkommens muss jeder gute Christ für seinen Pastor spenden. Kindwe betet dafür sogar übers Handy – bezahlt wird am nächsten Sonntag. Mit flehenden Gesten und wie in Trance sprechen die Gläubigen in Kindwes Kirche ihre Gebete. Das halblaute Gemurmel klingt wie das Rauschen eines anschwellenden Baches, der sich aus dem Betonbau ergießt, um die Welt von Satan zu reinigen. Mutinga nimmt es gelassen: „Solange die Leute beten, gibt es wenigstens keine Revolution.“