Klaus Werner, Co-Autor des bekannten „Schwarzbuch Markenfirmen“ – Die „Machenschaften der Weltkonzerne“ fordert aus Anlass der Tagung des World Economic Forum (WEF) in Salzburg „weltweite soziale und ökologische Standards“ für die Globalisierung.
Was ist eigentlich daran auszusetzen, dass sich ein paar Wirtschaftsführer und Politiker treffen, um miteinander zu reden? Immerhin werden auch beim WEF soziale und ökologische Probleme diskutiert, und viele der beteiligten Unternehmen engagieren sich sogar konkret. Sie bauen Spielplätze für die Kinder ihrer Mitarbeiter und manche sogar Krankenhäuser in armen Ländern.
Das genau ist das Problem, so absurd das vielleicht klingt. Denn es ist nicht der Sinn von Unternehmen, sich karitativ zu betätigen. Ihr Job ist es, Geschäfte zu machen. Sie müssen sich dabei allerdings an soziale und ökologische Mindeststandards halten. Wenn sie das nicht tun, muss das sanktioniert werden.
Geschäftsstörung
Das Ziel solcher Treffen hinter verschlossenen Türen wie beim WEF ist vor allem eines: Die Regierenden sanft daran zu erinnern, dass verbindliche Regeln die Geschäfte stören. So erklärte der Chef des Nahrungsmittelkonzerns Nestlé, Peter Brabeck, vor einigen Monaten, „dass wir keine Gesetze brauchen, weil es besser ist, wenn sich Unternehmen freiwillig gut verhalten.“ Genauso gut könnte man gleich die Abschaffung aller Gesetze fordern. Wir zahlen künftig unsere Steuern freiwillig, fahren nicht mehr zu schnell und sind lieb zueinander.
Was Nestlé in seiner täglichen Geschäftspraxis darunter versteht, sich „freiwillig gut“ zu verhalten, ist an Grausamkeit kaum zu überbieten: So profitiert der Konzern davon, dass der Kakao für seine Produkte von siebenjährigen Kindersklaven in Westafrika geerntet wird, die man dort zum Preis einer Stange Zigaretten kaufen kann. Tun kann man dagegen nichts, weil es auf globaler Ebene – noch – keine sanktionierbaren Regeln gibt. Damit das auch so bleibt, versuchen Nestlé und Co. mit aller Macht, die Regierenden in angenehmer Atmosphäre daran zu hindern, ihnen Grenzen für ihre Machenschaften zu setzen.
„Freiwillige Selbstverpflichtung“
Und die spielen brav mit. Der politische Trend zum Neoliberalismus, der sich quer durch die ideologischen Lager zieht, verachtet jede Begrenzung der Marktkräfte zugunsten gesellschaftlicher Bedürfnisse und beschränkt sich auf die Sicherung von Wirtschaftsstandorten. Keine politische Instanz stellt sich der österreichischen Erdölgesellschaft OMV in den Weg, wenn sie mit dem Militärregime im Sudan kooperiert. Kein Gesetz sanktioniert den Bayer-Konzern, der durch Rohstoffhandel den Krieg im Kongo unterstützt, der bisher drei Millionen Menschenleben gekostet hat. Kein Gericht verurteilt Exxon-Mobil oder Shell, wenn sie das Weltklima aufs Spiel setzen.
Stattdessen setzen die Regierungen auf den guten Willen der Profiteure. „Freiwillige Selbstverpflichtung“ heißt das Zauberwort, das auch beim WEF die Runde machen wird. Wer einen schönen Umwelt- und Sozialbericht schreibt und sich in Hochglanzbroschüren gegen Kinderarbeit ausspricht, hat seine Pflicht gegenüber der Gesellschaft bereits getan.
Dass etwa der Ölmulti Shell jährlich 53 Millionen Dollar für Sozialprojekte in Nigeria ausgibt, hat ihm ein hervorragendes Image eingebracht. Shell hat dort Schäden in Milliardenhöhe verursacht und den Lebensraum von Millionen Menschen für Generationen zerstört. Wenn die Firma dort nach Standards agieren würde, die bei uns längst selbstverständlich sind, könnte sie sich ihre Sozialprojekte sparen.
Die korruptesten Regimes
Es sei nicht die Aufgabe von Unternehmen, Politik zu machen, sagen die Manager. Damit hätten sie sogar Recht – wenn sie tatsächlich keine Politik machen würden. Verschwiegen wird nämlich, dass politisches Lobbying bis hin zur Erpressung und Korruption längst das Verhältnis zu den Heimat- und Gastgeberregierungen multinationaler Konzerne bestimmt. Und dass die korruptesten Regimes der Welt ihre Macht nahezu ausschließlich den Rohstofflizenzen multinationaler Unternehmen verdanken.
Angesichts der Tatsache, dass ein Großteil der Handels- und Finanzströme längst auf globaler Ebene stattfindet, ist es dringend notwendig, auch die politischen Steuerungsinstrumente zu globalisieren und weltweit sanktionierbare soziale und ökologische Standards zu schaffen. Vor allem Europa muss deshalb seine Politik nicht nur nachhaltiger, sondern vor allem „globaler“ gestalten – unabhängig von den Einflüsterungen aus den Konzernzentralen. Dort sitzen die wahren „Globalisierungsgegner“, weil sie eben diese globalen Rechte ablehnen. Die Missachtung sozialer und ökologischer Mindeststandards oder der universalen Menschenrechte in anderen Teilen der Welt muss aber auch bei uns sanktioniert werden können.
Jedes Jahr sterben zehn Millionen Kinder, deren Eltern das Geld für Medikamente fehlt. Jeden Tag verenden 100.000 Menschen an den Folgen des Hungers. Als Folge der ungerechten Verteilung von Ressourcen ist das täglicher Massenmord. Der unkontrollierten Globalisierung des Handels und der Finanzströme wird unweigerlich die Globalisierung der sozialen Konflikte folgen, die dadurch provoziert werden. Ein paar Kinderspielplätze helfen da nichts.
Wenn wir unsere Lebensqualität, unsere Freiheit und unsere individuellen Entwicklungschancen erhalten wollen, müssen wir die Voraussetzungen dafür globalisieren. Und diese sind faire Regeln für das Zusammenleben aller Menschen. Diese Regeln müssen auch in Salzburg unüberhörbar eingefordert werden.