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Wir wollen das modernste Transparenzgesetz Europas

Im letzten Gemeinderat vor der Sommerpause initiierten wir eine Aktuelle Stunde zum Thema „Gläserne Stadt statt gläserne BürgerInnen – Informationsfreiheit für mehr Demokratie und weniger Korruption“. Weil das eines meiner wichtigsten Anliegen ist hier das Wortprotokoll meiner Rede:

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Vorsitzender!

Wir haben diese Aktuelle Stunde initiiert, weil wir glauben, dass die Informationsfreiheit und die Abschaffung des Amtsgeheimnisses aus der Bundesverfassung eines der wichtigsten Themen ist, vor allem damit Politik und Verwaltung wieder mehr Glaubwürdigkeit bei der Bevölkerung bekommen; und weil wir glauben, dass dieses Thema eines der wichtigsten Mittel zur Korruptionsbekämpfung ist.

Ich hoffe eigentlich darauf, dass wir hier im Wiener Gemeinderat gemeinsam mit der Opposition so etwas wie einen Konsens darüber erzielen können, dass es eigentlich in unser aller Interesse sein sollte, Informationsfreiheit und Transparenz voranzutreiben und dieses Relikt aus einem obrigkeitsstaatlichen Denken, das als Amtsgeheimnis in der Bundesverfassung leider noch immer verankert ist, endlich wegzubekommen.
Das ist deswegen in unserem eigenen Interesse, weil ich unterstelle – da wage ich mich jetzt ein bisschen weit hinaus –, dass alle hier anwesenden Politiker und Politikerinnen ein eigenes Interesse daran haben könnten, nicht wegen Korruptionsfällen angepatzt zu werden, die in der Vergangenheit immer wieder das Ansehen der Politik geschädigt haben.

Wir alle als Politiker und Politikerinnen stehen fast unter einem Generalverdacht, weil wir uns wegen der vielen Korruptionsfälle, die in der Vergangenheit bekannt geworden sind, immer wieder verteidigen müssen gegen den Generalvorwurf: Ihr Politiker seid ja alle irgendwie korrupt! Ich glaube, das beste Mittel, um unserem Berufsstand wieder zu einem gewissen Respekt, zu einem gewissen Ansehen zu verhelfen, ist umfassende Transparenz.

In der Bundesverfassung gibt es den Artikel 20 Absatz 3 und 4, der das Amtsgeheimnis festlegt. Dieses Amtsgeheimnis stammt aus der obrigskeitstaatlichen Zeit und ist eigentlich durch nichts mehr zu legitimieren.

Wir fordern deswegen die Bundesregierung auf, diese Absätze 3 und 4 zu streichen; und zwar nicht ersatzlos, sondern es gibt hier einen Vorschlag von anerkannten Juristen und Wissenschaftern wie Alfred Noll, Hubert Sickinger, Daniel Ennöckl, Walter Geyer und Franz Fiedler, der die Informationsfreiheit in der Bundesverfassung als Staatsziel festlegen möchte.

Das heißt, wir wollen, dass sich die Republik Österreich dazu bekennt, dass Politik und Verwaltung nicht etwas ist, das im stillen Kämmerlein passieren soll, sondern etwas, das für alle Bürgerinnen und Bürger, für die wir letztendlich Politik machen, zur Verfügung stehen soll; und dass all diese Dinge, die wir hier verhandeln, alle Akten, alle Dokumente veröffentlicht werden sollen, und zwar nicht erst auf Nachfrage, sondern von selbst. Alles, was wir hier in Ausschüssen an Verträgen und so weiter behandeln, soll zur Verfügung gestellt werden, und zwar mit zwei wichtigen Ausnahmen:

Die erste Ausnahme ist überall dort, wo Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Deswegen haben wir die heutige Aktuelle Stunde „Gläserne Stadt statt gläserne BürgerInnen“ benannt. Es geht ausdrücklicht nicht darum, Persönlichkeitsdaten zu veröffentlichen. Da gibt es berechtigte Interessen von Bürgerinnen und Bürgern, dass ihre Persönlichkeitsdaten nicht veröffentlicht werden. Allerdings muss es begründet werden, dass es eben aus diesem Interesse nicht geschieht. Ich sage auch explizit dazu: Das heißt nicht, dass man Akten deswegen zurückhalten soll, weil sie Persönlichkeitsdaten enthalten; sondern diese Persönlichkeitsdaten kann man schwärzen und den Rest, alles, was für die Öffentlichkeit relevant ist, zugänglich machen.

Der zweite Punkt betrifft all jene Bereiche, wo das Gemeinwohlinteresse verletzt wird. Das betrifft in Wien wahrscheinlich relativ wenige Bereiche. Auf Bundesebene kann das Sicherheitsziele betreffen. Aber auch etwa, ich nehme jetzt ein Beispiel aus unserer Geschäftsgruppe, wenn zum Beispiel Flächenwidmungspläne verhandelt werden: In der Verhandlungsphase könnte eine unmittelbare Veröffentlichung dazu führen, dass die Grundstückspreise steigen und der Spekulation Tür und Tor öffnen. Diese Dinge müssen also in begründenden Fällen ausgenommen werden.

Wir sind jetzt in der schwierigen Situation, dass das auf Bundesebene verschleppt wird. Es hat ursprünglich sehr klare Bekenntnisse gegeben von Sebastian Kurz, und es gibt nach wie vor ein Bekenntnis von Herrn Staatssekretär Ostermayer. Die ÖVP steht leider jetzt wieder auf der Bremse, und wie sich abzeichnet, wird sich da vor der Nationalratswahl nichts tun. Die Bürgerinnen und Bürger können dagegen etwas tun. Sie können bei der Nationalratswahl am 29. September entweder die SPÖ oder die Grünen wählen, je nach persönlichem Geschmack, dann wird da sicherlich eher etwas weitergehen.
Wir Wiener und Wienerinnen wollen jedenfalls ein Transparenzgesetz auf den Weg bringen. Man kann das Hamburger Modell als Vorbild nehmen. Wir wollen ein Datenregister, ein Transparenzregister schaffen.
Man braucht dazu ein Organ, das darüber wacht, wenn Bürgerinnen und Bürger Informationen haben wollen und möglicherweise nicht bekommen, das als zweite Instanz diese Daten herausrücken kann. Dazu gibt es ein tolles Vorbild in Slowenien. Da gibt es eine Transparenzbeauftragte, die, wenn Daten nicht freigegeben werden, dafür sorgt, dass sie freigegeben werden.

Der Weg zu so einem Gesetz ist, glaube ich, das Wichtigste. Wir haben hier in Wien ein vorbildliches Modell im Bereich Open Data Government geschaffen: Ich glaube, das Erfolgsgeheimnis dafür, dass wir da internationale Preise gewonnen haben und europaweit als Vorbild gelten, liegt darin, dass wir das nicht allein gemacht haben, sondern gemeinsam mit StakeholderInnen und ExpertInnen aus der Zivilgesellschaft. Regelmäßig – morgen Nachmittag zum Beispiel wieder – sitzen Menschen aus der Zivilgesellschaft gemeinsam mit der Stadtverwaltung zusammen und machen Vorschläge, wie Wien eine offenere Stadt werden kann, wie Wien eine transparentere Stadt werden kann.

Es gibt eine hervorragende Initiative, nämlich die Initiative Transparenzgesetz.at, die da in den vergangenen Monaten bereits viel weitergebracht hat, das Thema in den öffentlichen Diskurs gebracht hat. Unser erklärtes Ziel ist, dass wir gemeinsam mit diesen Menschen ein modernes Transparenzgesetz entwickeln, das dann letztendlich International Vorbild werden soll. Also: Schön wäre es, wenn wir es noch besser als die Hamburger machen.

Das Ziel müsste sein, dass auf Bundesebene die Transparenz in der Verfassung verankert wird, dass der Bund eine gemeinsame Regelung schafft, und dass Wien sich dann hervortun kann, indem es diese Regelungen besonders bürgerInnenfreundlich auslegt. Sollte zumindest das Amtgeheimnis fallen, wobei wir als Stadt Wien auf jeden Fall weiterhin Druck in diese Richtung machen werden, dann wollen wir auf Landesebene das modernste Transparenzgesetz Europas auf den Weg bekommen.
Da geht es um sehr viel, nämlich darum, das Vertrauen in die Politik zu stärken. Es geht darum, dass Bürger und Bürgerinnen, aber natürlich auch Journalisten und Journalistinnen, deren Aufgabe es ist, unsere Arbeit kritisch zu kontrollieren, in Unterlagen, Daten, Verträge und so weiter Einblick nehmen können.

Das ist das beste Mittel, um der Korruption einen Riegel vorzuschieben. Es wird dringend Zeit, Österreich aus dem Korruptionssumpf herauszuholen. Eine Möglichkeit ist, wie gesagt, die Wahl am 29. September.

Wien wird in Sachen Transparenz jedenfalls Vorreiter sein. Und ich zähle darauf, dass da auch die Opposition mitmacht; denn eigentlich liegt es ja im ureigensten Interesse der Opposition, Regierungsparteien zu kontrollieren. Wir haben nichts zu verbergen. Wir wollen hier offen sein, wir hoffen darauf, dass man dieses Thema möglichst konsensual abhandeln kann.

Die Grünen haben bereits vor einigen Wochen gemeinsam mit Georg Niedermühlbichler von der SPÖ eine Veranstaltung abgehalten, die sehr erfolgreich war. Auch Isabella Leeb war bei der Veranstaltung da. Daher verlasse ich mich darauf, dass zumindest die ÖVP da auch einen konstruktiven Beitrag leistet. Die SPÖ hat zu diesem Beschluss einen einstimmigen Beschluss auf ihrem Parteitag gefasst, wir Grüne haben einen einstimmigen Beschluss in unserem höchsten politischem Gremium gefasst. Das heißt, der Weg ist eigentlich frei für Wien. Jetzt wird es Zeit, dass auch die Bundesregierung den Weg frei macht.