Die Presse hat mich eingeladen, die Vorgänge rund um die Kunsthalle Wien zu kommentieren:
Gerade von den Leitern millionenschwerer Kulturtanker ist ein besonders sorgsamer Umgang mit öffentlichen Geldern zu erwarten.
Kunsthallen-Chef Gerald Matt, das sei vorausgeschickt, habe ich als leidenschaftlichen Kämpfer für Avantgardekunst kennengelernt. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe werden vom Kontrollamt und von der Justiz geprüft, und ich maße mir darüber kein Urteil an.
Worüber ich mir ein Urteil anmaße, sind kulturpolitische Zielsetzungen und Rahmenbedingungen für mit Steuergeld finanzierte Institutionen. Kulturpolitik beginnt nicht erst dort, wo Richter gesprochen haben, sondern viel früher: beim Setzen künstlerischer, gesellschaftlicher und ja, auch moralischer Standards, die wir von der Leitung einer öffentlichen Kultureinrichtung in höherem Ausmaß erwarten sollten als etwa vom Management einer Waschmittelfirma.
Museumsdirektoren sollen, das wird zurecht ins Treffen geführt, bunte Vögel sein. Je bunter, desto besser! Bunte Vögel brauchen sich nicht auf Kosten anderer aufplustern, sondern pflegen einen respektvollen Umgang mit Mitarbeitern (was aus grüner und sozialdemokratischer Sicht die Bildung eines Betriebsrats mit einschließen sollte). Bunte Vögel brauchen sich nicht mit fremden Federn schmücken, etwa durch das unautorisierte Zeichnen fremder Texte mit eigenem Namen. Und: Damit Kultur bunt bleibt, ist es manchmal besser, wenn ihre Leitvögel nicht zu lange im selben Nest bleiben.
Ich erwarte mir von den Leitern millionenschwerer Kulturtanker einen besonders sorgsamen Umgang mit öffentlichen Geldern. Nicht nur im Sinne des Gesetzes, sondern im Bewusstsein dessen, dass es in dieser Stadt unzählige Kulturinstitutionen und Kunstschaffende gibt, die wegen begrenzter Budgetmittel und des sukzessiven Rückzugs des Bundes aus der Kofinanzierung unterdotiert sind, am Rande des Prekariats leben und ihr künstlerisches Potenzial nicht oder nur mangelhaft verwirklichen können.
Natürlich sind mit der Leitung einer international wirkenden Institution Auslandsreisen und höhere Telefonrechnungen verbunden. Solange sich aber jeder kleine Kulturverein für jede Taxirechnung rechtfertigen muss, finde ich einen Nachweis des konkreten Nutzens für großzügige Spesenrechnungen und Nebengeschäfte nicht zu viel verlangt. Und solange zigtausenden Zugewanderten Grund- und Bürgerrechte verweigert werden, obwohl sie hier Familie und Lebensmittelpunkt haben, kann ich keine künstlerische oder moralische Leistung darin erkennen, die Einbürgerung von Menschen zu lobbyieren, die sich durch nichts anderes als ihren Reichtum ausgezeichnet haben, nur damit sie Millionen in eine Privatstiftung einzahlen.
Von einem Aufsichtsorgan wie dem Vereinsvorstand der Kunsthalle erwarte ich, dass es seine Kontrollfunktion wahrnimmt; dass es Leitungsverträge im Sinne der öffentlichen Institution gestaltet. Rot-Grün wird, wie es der Kulturstadtrat angekündigt hat, die Vereinsstruktur in diesem Sinne verändern. Und die Grünen verknüpfen ihre Zustimmung zu künftigen Subventionen mit der Erwartung, dass die Kunsthalle im Sinne höchster künstlerischer, gesellschaftlicher und ethischer Standards weitergeführt wird.